traßengabelung   Er glaubte eine staubige Straße entlang zu wandern, die in der zunehmenden Finsternis einer Hochsommernacht weiß leuchtete. Woher sie kam, wohin sie führte und warum er auf ihr ging, wußte er nicht, obwohl alles ganz einfach und natürlich schien, so wie es im Traum eben ist; denn im Lande jenseits des Schlafs ist das Überraschende nicht mehr beunruhigend, und das Urteilsvermögen schlummert. Bald kam er an eine Straßengabelung; von der Hauptstraße zweigte eine weniger befahrene Straße ab, die tatsächlich den Eindruck machte, als ob sie lange nicht benutzt worden wäre, weil sie, wie er dachte, zu irgend etwas Bösem hinführte; dennoch bog er ohne Hast in sie ein, unter dem Zwang einer dringenden Notwendigkeit.

Als er immer weiter vorwärts drängte, merkte er, daß ihn unsichtbare Wesen verfolgten, die er sich nicht genau bildlich vorstellen konnte. Aus den Zwischenräumen der Bäume beiderseits der Straße fing er unzusammenhängende Fetzen einer im Flüsterton gesprochenen fremden Sprache auf, die er dennoch teilweise verstand. Ihm schien, als wären es bruchstückhafte Äußerungen einer ungeheuren Verschwörung gegen seinen Leib und seine Seele.

Seit Einbruch der Nacht war schon geraume Zeit vergangen, und trotzdem wurde der endlose Wald, den er durchwandert hatte, erhellt von einem blassen Schimmer, der offenbar keiner Lichtquelle entstammte, denn in seinem geheimnisvollen Schein warfen die Dinge keinen Schatten. Sein Blick fiel auf eine seichte, rot schimmernde Lache in der Rinne einer alten Räderspur; anscheinend stand sie noch vom letzten Regen. Er bückte sich und tauchte die Hand ein. Seine Finger färbten sich; es war Blut! Dann stellte er fest, daß ihn rings überall Blut umgab. Auf den großen, breiten Blättern des Unkrauts, das üppig am Straßenrand wuchs, befanden sich blutige Spritzer und Flecke. Die Stellen trockenen Staubs zwischen den Spuren waren wie mit roten Regentropfen übersät und bespritzt. Breite rote Schlieren beschmutzten die Baumstämme, und vom Laub tropfte Blut wie Tau.  - Ambrose Bierce, Der Tod des Halpin Frayser, in: A.B., Die Spottdrossel. Zürich 1978 (detebe 106)

 

Gabelung Straße

 

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