trahlung   Vor vielen Jahren habe ich irgendwo gelesen, daß die Chinesen sich zum Schlafen in die Nordsüdrichtung legen, um sich in das erdmagnetische Feld einzufügen. Außerdem sollen sie den Kopf mit einer seidenen Mütze bedecken, um das Gehirn während des Schlafes zu isolieren. Es wäre ihnen also das Gebiet der kosmischen Strahlung nicht unbekannt und nicht nur das, sie hätten für ihr Leben auch Nutzen aus dieser Kenntnis gezogen. Auch die Bedeutung der Baustoffe, ihr kosmisches Wirkungsgebiet ist den Asiaten durchaus bekannt, aber es scheint sie das mehr von der psychischen Seite aus zu interessieren als von der physischen. Die indische Wohnkultur ist uns in dieser Hinsicht um Jahrtausende voraus. Sie hat nicht nur ein Badezimmer für den Leib, sondern auch eines für die Seele zur Reinigung und Erneuerung ihrer Kräfte. Das ist aber ein noch vageres Gebiet als das mit den kosmischen Strahlungen des Herrn Dr. Lakowski in Paris und kommt für unser "wachsendes Haus" vorläufig wenigstens noch nicht in Frage. Angesichts unseres Bankerotts haben wir ja andere Sorgen, obwohl die Erneuerung der Seele vielleicht am nötigsten wäre. - Hugo Häring, in: Martin Wagner u.a. , Das wachsende Haus. Berlin 1932

Strahlung (2)   Die scheinbare Fernwirkung, die bei attraktiven und imitativen Vorgängen so oft zutage tritt, wird von einem neuzeitlichen, freilich selbst noch vielumstrittenen Zweige der Physik ihrer Rätsel entkleidet und dann auch in ihrer technischen Auswertung gefördert werden können: von der Emanationslehre. Nicht ernst genommen in ihrer Ursprungsgestalt als Odlehre des Freiherrn KARL von REICHENBACH, hat sie neuerdings durch die Erfahrungen der Radiologie und Wünschelrutenlehre festeren Boden gewonnen und namentlich auf den durch M. BENEDIKT (1915) gewiesenen Wegen Zukunftsbedeutung angenommen. "Viele neue, in ihrer vorläufigen Unverständlichkeit ganz wunderbar erscheinende Strahlenarten sind unterdes entdeckt worden. Wir fangen an, es natürlich zu finden, daß die Stoffe allerlei Stoffteilchen von sich schleudern, Atome und tausendstel Bruchstücke von Atomen, die Trümmer eines Atomaberglaubens. Sie bilden so eine Dunsthülle um sich, Gasmoleküle werden von ihnen mit märchenhaften . Geschwindigkeiten sozusagen abgeschossen; es sind die sogenannten Emanationen" (GILBERT, 1915). Die Ausstrahlungen, Ausschleuderungen sind vollkommen geeignet und dazu ausersehen, die schier unbegreiflichen imitativen und attraktiven Beeinflussungen genügend benachbarter, einander aber nicht notwendig schon berührender Körper auf eine materielle oder, besser ausgedrückt, energetische Basis zu stellen. Die einander fernen Körper erreichen sich durch ihre Aussendungen winziger Stoffteilchen, mit den spezifischen Energien der ausschickenden Körper beladene Boten, Mittler durch den dazwischenliegenden Raum. Bei Personen mit feinst reagierendem Nervensystem, wie es z. B. die "Rutengänger" sind, gelangen die Emanationen zu oberbewußter Empfindung; und es ist im höchsten Grade bemerkenswert für die von uns geforderten polaren Bedingungen der Attraktion, daß jene Empfindungen dann ebenfalls polar differenziert sind: die „Sensitiven" merken es, ob ihnen das positive oder negative Ende eines Magnetes, Kathode oder Anode einer vom elektrischen Strom durchflossenen Spule zugewendet ist; „sie können im Dunkeln feststellen, ob ein Gegenstand nach dem Südoder Nordpol der Erde gerichtet ist, ob ihnen jemand die rechte Hand reicht oder die linke".  - Paul Kammerer, Das Gesetz der Serie. Eine Lehre von den Wiederholungen im Leben und im Weltgeschehen. Stuttgart und Berlin 1919

Strahlung (3)

Strahlung (4)   Ich sollte ... ich hätte sollen ... Seine Geschichte ist voll von unterlassenen Schritten, voll von diesem «hätte sollen» - er hätte heiraten sollen, hätte seinem Schwiegervater gehorchen sollen, hätte in Harley Street bleiben, freundlicher sein, Fremden häufiger zulächeln und auch Maudie Chilkes Lächeln heute nachmittag erwidern sollen ... warum konnte er es nicht? Ein albernsehnsuchtsvolles Lächeln, was wäre schon dabei, wo liegt die Hemmung, wo ist der Knoten auf seinem Mosaik? Die hübschen, bernsteingelben Augen hinter den Gläsern der Dienstbrille ... Frauen gehen ihm aus dem Weg. Er weiß auch ungefähr, woher das kommt: er wirkt unheimlich auf sie. Normalerweise spürt er es sogar selbst, wenn er beginnt, diese Unheimlichkeit auszustrahlen - seine Gesichtsmuskulatur verkrampft sich, Schweiß will ihm ausbrechen ... er ist machtlos dagegen, kann sich nicht lange genug konzentrieren, sie lenken ihn doch so ab - und schon ist die unheimliche Strahlung wieder da ... und ihre Reaktionen sind vorhersehbar: mit einem Schrei, den nur sie selbst und er zu hören vermögen, laufen sie vor ihm davon. Und dabei würde er nichts lieber tun, als sie einmal wirklich zum Schreien bringen ...

Er fühlt eine Erektion wachsen, er wird sich heute abend wieder in den Schlaf masturbieren, eine lustlose Gewohnheit, eine feste Institution in seinem Leben. Doch welche Bilder werden ihm, kurz vor dem hellen Gipfel, in die Augen stechen? Nichts anderes als die Türme und blauen Kanäle, die Segel und Kirchen von Stockholm - das gelbe Telegramm, das Gesicht einer großen, schönen, wissenden Frau, die sich nach ihm umdreht und ihn beobachtet, wie er die offizielle Limousine besteigt, eine Frau, die ihn später und kaum zufällig in seiner Suite im Grand Hotel aufsuchen wird ...  - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

Strahlung (5)  Kälte ist keine Energie und kann deshalb auch nicht zurückgestrahlt werden .. . Das war interessanter, als sie gedacht hatte, denn sie war hier nur hereingeschneit, weil es für den Englisch-Kurs der Volkshochschule, ein Stockwerk tiefer, zu spät war. Sie hatte die S-Bahn um eine Viertelminute verpaßt, 10 Sekunden früher, und sie hätte sich noch durch die automatische Tür hineingezwängt. Dann wollte sie nicht durch die Tür hinter dem Vortragenden in den Unterrichtssaal eintreten und (auf englisch oder deutsch?} eine Entschuldigung murmeln, sich zu einen Platz durchzwängen, alle Augen auf sich gerichtet, auf ihr Gesäß, ihren Hals. Deshalb war sie panikartig ein Stockwerk höher in den Saal 109 geeilt, der frontal zum Vortragenden betreten werden kann. Sie saß unauffällig auf einem der Plätze neben der Tür und dachte hinsichtlich der Kälte, welche nicht die Kraft hat zurückzustrahlen, ja überhaupt keine Kraft, sondern ein Zustand ist, an das Unvermögen Achims, zu bemerken, wann sie ihm kalt oder erhitzt gegenüberstand. Er war nicht in der Lage, irgend etwas, was er empfing, zurückzustrahlen. In Florenz aber, in einem der lebendigsten Jahrhunderte der Stadt, bauten Gelehrte (Rhetoriker} vor dem Herzog, einem der Media-Bankiers, eine Reihe von Geräten auf: einen Eisblock (wie Achim, müde), verbunden mit einem Spiegel; der Strahl oder die Reflexion des Eises sollte eine heiße Suppe in einem Topf kühlen. Dieses Experiment (an einem Frühlingstag) gelang nicht sofort eindeutig, da die Suppe an der Luft auch ohne Einwirkung der Eisstrahlen kühlte. Irgendwie wurde dann aber bewiesen, daß Eis nicht strahlt, während ein neben dem Eisblock befestigtes Licht (als Wärmequelle}, auf komplizierte Weise gespiegelt, nicht mechanisch, Pünktchen für Pünktchen, aber doch, wie man heute weiß, in Intervallen an bestimmten erogenen Stellen der Materie die Kraft, die in ihm steckt, weitergibt, bis nichts mehr übrig ist. Es wurde eine schöne Dreiviertelstunde, für den Kurs hatte Gerda nicht bezahlt. Sie beschloß, sich von Achim dringlich zu trennen, führte den Beschluß am Abend aber nicht aus, weil sie noch in Eile war. - (klu)

 

Energie

 


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