Stoßgebet  Als Lulu heranwuchs und in ihrer jungen Anmut erblühte, war sie eine schlanke, zartgerundete Hindin, von der Nase bis zu den Zehen von unfaßlicher Schönheit. Sie sah aus wie eine genau gemalte Abbildung zu dem Heinelied von den weisen und edlen Gazellen am Ufer des Ganges.

Aber Lulu war im Grunde nicht edel, sie war, wie man sagt, vom Teufel geritten. Sie zeigte im höchsten Grade die weibliche Eigenart, scheinbar völlig in der Abwehr zu sein, ganz nur darauf bedacht, die Heilheit ihres Wesens zu wahren, indes sie in Wahrheit mit all ihren Kräften im Angriff stand. Gegen wen? Gegen die ganze Welt. Ihr Mutwille setzte sich über alle Grenzen und Maße hinweg, sie ging auf meinen Gaul los, wenn er ihr nicht gefiel. Ich mußte an den alten Hagenbeck in Hamburg denken, der gesagt hat, von allen Tiergattungen, einschließlich der Raubtiere, seien die Hirscharten die unberechenbarsten; man könne wohl einem Leoparden trauen, wer aber einem Bock traue, dem würde er früher oder später in den Rücken fallen.

Lulu blieb der Stolz des Hauses, auch als sie sich wie eine richtige schamlose Kokotte benahm, aber ihr Glück fand sie bei uns nicht. Zuweilen wanderte sie stundenlang, ganze Nachmittage lang, vom Hause fort. Zuweilen, wenn der Geist sie überkam und ihr Mißvergnügen an der Umwelt ihren Höhepunkt erreichte, vollführte sie, um ihrem Herzen Luft zu machen, auf der Wiese vor dem Hause einen Kriegstanz, der aussah wie ein Zickzack-Stoßgebet an Satan.   - (blix2)

Stoßgebet (2)  Nach der Fastenwoche Und den großen Fasten des Jubeljahres verspürte sie zum erstenmal seit acht Monaten den Drang, das stille Kämmerlein aufzusuchen, und so verfügte sie sich demütig dorthin. An Ort und Stelle angelangt, hob sie in Züchten ihre Röcke setzte sich in Positur und schickte sich das zu vollbringen an was wir armen Sünderinnen ein bißchen häufiger abzutun pflegen. Aber die Schwester Petronilla brachte nur soviel Kraft auf, einen winzigkleinen Anbeginn der Sache ans Licht zu befördern, und dieser Anfang hielt sie in Atem, ohne daß der dazugehörige Rest aus dem Behältnis schlüpfen wollte. Und wie sie sich wand und krümmte, um ihren Packen loszuwerden, sosehr sie auch die Brauen runzelte und das Gesicht verzerrte, alle Hebel des verzwickten Mühlwerkes spielen ließ, ihr Gast wollte lieber in diesem gebenedeiten Leib ausharren ; er streckte nur zuweilen den Kopf aus dem natürlichen Fenster wie ein Frosch, der Luft schnappt, und spürte keinerlei Berufung, zu den andern in das tiefe Jammertal hinabzustürzen, angeblich weil er dort unten nicht im Geruch der Heiligkeit stünde. Und für einen Haufen Dreck, der er ja war, bewies er damit nicht wenig Verstand. Nachdem die gute heilige Jungfrau alle erdenklichen Zwangsmittel angewendet hatte, bis ihr die Backenmuskeln dick anschwollen und die Adern an ihrem magern Gesicht hervortraten, als wollten sie bersten, da kam sie zur Erkenntnis, daß kein Schmerz auf Erden dem ihren gleichkam; und weil ihre Qual kaum mehr zu ertragen war und das äußerste Übermaß sphinkterialer Not erreicht hatte, drückte sie noch ein allerletztes Mal und sprach dazu: >Dir bring ich ihn dar, o mein Gott!< Und siehe, kaum hatte sie dies Stoßgebet gesprochen, so zerbrach die steinharte Masse dicht am Rande des Spundlochs und polterte gleich einem Kieselbrocken gegen die Wände des Abtrittkämmerleins; man hörte, wie es bumbum bombom peng! machte. Ihr könnt euch schon denken, liebe Schwestern, daß sie kein Papier nötig hatte.  - (drast)
 
 

Gebet

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe

Synonyme