toizismus   Chrysippus und Zenon, die Stifter der stoischen Schule, dachten durchaus, es sei nichts Böses dabei, sich unserer Kadaver auf welche Weise auch immer zu unserer Notdurft zu bedienen und sie zur Nahrung zu gebrauchen: wie unsere Vorfahren, als sie von Caesar in der Stadt Alesia eingeschlossen waren, sich dazu entschlossen, die Hungersnot dieser Belagerung mit den Leibern der Greise, der Frauen und anderer zum Kampf unbrauchbaren Bewohner zu lindern. - (mon)

Stoizismus (2) In einer der in den letzten Dekaden herausgekommenen Schriften, die die Gefängnisgeschichte eines jungen Republikaners ist, finde ich folgende Stelle, die den braven Lux betrifft:

»Adam Lux, merkwürdig wegen seines Charakters eines Deputierten der Stadt Mainz und seiner Bewunderung der außerordentlichen Corday, sah dem Tod mit dem höchsten Grad stoischer Ruhe entgegen. Er sprach gerade mit uns über die Gefahr der Leidenschaften und den Mangel der Beurteilungskraft, der eine feurige und unverdorbene Seele beständig über das Ziel hinausreißt, als man ihn rief, um ihm seinen Anklage-Akt zuzustellen - er las ihn mit Kaltblütigkeit und steckte ihn mit Achselzucken in die Tasche.

›Hier‹, sagte er zu uns, ›mein Todesurteil. Dieses Gewebe von Abgeschmacktheit führt den Repräsentanten einer Stadt auf das Schafott, die mich abgeschickt hat, um euer zu werden. Ich endige im 28. Jahr meines Alters ein elendes Leben; - morgen werde ich kalt wie dieser Stein sein! Allein sagt denen, die euch von mir sprechen werden, daß wenn ich den Tod verdient habe, es nicht unter den Franken war, wo ich ihn empfangen sollte - sagt ihnen, daß ich seine Annäherung mit Ruhe und Verachtung gesehen habe.' - Er brachte die Nacht mit Schreiben zu, frühstückte mit Appetit, gab seinen Mantel einem unglücklichen Gefangenen, erschien um 3 Uhr vor dem Tribunal und war um 6 Uhr nicht mehr.‹

Im Original heißt es um 9 Uhr und 3 Uhr - allein es ist ein Fehler.

Ein braver Jüngling, der als 17jähriger Knabe der Bataille von Jemappe beigewohnt hatte, der Sohn meines Hausherrn, begegnete Luxen gerade, als er am Louvre vorüberfuhr - er kannte unsere Verbindung, und da er mich erst einige Minuten zuvor ununterrichtet von dem, was vorging, gesehen hatte, so folgte er Luxen bis an das Schafott und eilte, mir dann die schreckliche Nachricht mit allem, was er selbst gesehen hatte, zu überbringen. Der Wagen fuhr diesmal, nicht wie sonst zu geschehen pflegte, durch die Honoréstraße, sondern längs der Seine und der Mauer vom Garten der Tuilerien. Ich weiß nicht, ob, weil es schon spät war oder weil die Mörder das Scheußliche ihrer Handlung zu sehr fühlten, um das große Opfer, das sie dem Despotismus brachten, zu sehr den Augen des betrogenen Haufens auszusetzen. Mit Lux fuhr eine Frau. Er sprach ihr Mut bei und hörte nicht auf, den wenigen, die er auf seinem Wege antraf, den Namen der Volkstyrannen zu nennen. Er bestieg das Schafott wie eine Rednerbühne.«  - Justinus Kerner, Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit. In: (ker)

Stoizismus (3)  Einige Dinge stehen in unserer Macht, andere hingegen nicht. In unserer Macht sind Urteil, Bestrebung, Begier und Abneigung, mit einem Wort alles das, was Produkt unseres Willens ist. Nicht in unserer Macht sind unser Leib, Besitz, Ehre, Amt, und alles was nicht unser Werk ist. Was in unserer Macht ist, ist seiner Natur gemäß frei, kann nicht verboten oder verhindert werden; was aber nicht in unserer Macht steht, ist knechtisch, kann verwehrt werden, gehört einem anderen zu.

Deshalb bedenke, daß du Hinderung erfahren in Trauer und Unruhe geraten, ja sogar Götter und Menschen anklagen wirst, wenn du das von Natur Dienstbare für frei und das Fremde für dein eigen ansiehst. Hältst du dagegen für dein Eigentum nur, was wirklich dein eigen ist, und betrachtest das Fremde als fremd, so wird dich niemand jemals zwingen oder hindern; du wirst niemanden anklagen oder beschimpfen, und nicht das geringste mit Widerwillen tun; niemand kann dir schaden; du wirst keinen Feind haben, und nichts, was dir nachteilig sein könnte, wird dir begegnen. - Epiktet

Stoizismus (4)  Gewiß enthält die Philosophie Zenos und die Lehre der Stoiker nicht wenige Stücke, die, von der Kanzel herab verkündet, nach meiner Überzeugung als theologisch unanfechtbar befunden werden müßten; darin aber gehen sie über jedes Maß hinaus, daß sie einem Menschen das Recht einräumen, sein eigener Totschläger zu sein, und den Schlußakt und Selbstmord Catos in den Himmel heben. Das heißt in der Tat den Tod nicht scheuen, aber zugleich auch: das Leben fürchten. Es gehört beherzter Mut dazu, den Tod zu verachten, aber wo das Leben schrecklicher erscheint als der Tod, gilt es als höchste Tapferkeit, das Leben zu leben. - Sir Thomas Browne, Religio medici. Berlin 1976 (zuerst 1642)

Stoizismus (5)  Der Stoicismus der Gesinnung, welcher dem Schicksale Trotz bietet, ist zwar ein guter Panzer gegen die Leiden des Lebens und dienlich, die Gegenwart besser zu ertragen: aber dem wahren Heile steht er entgegen. Denn er verstockt das Herz. Wie sollte doch dieses durch Leiden gebessert werden, wenn es, von einer steinernen Rinde umgeben, sie nicht empfindet? - Uebrigens ist ein gewisser Grad dieses Stoicismus nicht sehr selten. Oft mag er affektirt seyn und auf bonne mine au mauvais jeu [gute Miene zum bösen Spiel] zurücklaufen: wo er jedoch unverstellt ist, entspringt er meistens aus bloßer Gefühllosigkeit, aus Mangel an der Energie, Lebhaftigkeit, Empfindung und Phantasie, die sogar zu einem großen Herzeleid erfordert sind. Dieser Art des Stoicismus ist das Phlegma und die Schwerfälligkeit der Deutschen besonders günstig.  - (schop)

Stoizismus (6)  Die stoische Lehre ist ein Spiel mit Worten und ein Gebilde der Phantasie wie der platonische Staat. Die Stoiker wollten sich einreden, man könnte in tiefster Armut fröhlich sein, unempfindlich gegen Beleidigungen, Undankbarkeit, Verlust der Glücksgüter wie der Angehörigen und Freundej dem Tod gelassen entgegensehen und ihn als etwas Gleichgültiges betrachten, das uns nicht freudig noch schmerzlich berührt; Lust und Leid gleichmütig hinnehmen; sich den Leib von Stahl oder Feuer versehren lassen, ohne einen Seufzer auszustoßen oder eine Träne zu vergießen; und dieses trügerische Wunschbild von sittlicher Kraft und Standhaftigkeit haben sie einen Weisen genannt. Sie haben dem Menschen alle Fehler gelassen, die sie an ihm entdeckten, und kaum eine seiner Schwächen gerügt: Statt ihm seine Laster in ihrer Furchtbarkeit oder in ihrer Lächerlichkeit lebhaft vor Augen zu malen und damit zu ihrer Besserung beizutragen, haben sie ihm ein Bild der Vollkommenheit und des Heldentums entworfen, dem er nicht gleicht, und haben ihn zum Unmöglichen angestachelt. So ist der Weise, den es nicht gibt oder der nur in der Einbildung vorhanden ist, von Natur und durch sich selbst über alles Geschehen und jedes Übel erhaben; nicht die schmerzhafteste Gicht noch die stechendste Kolik vermögen ihm eine Klage zu entreißen,  Himmel und Erde können zusammenbrechen, ohne ihn in ihren Sturz hineinzuziehen: er stände unberührt auf den Trümmern des Weltalls; während der wirkliche Mensch halb von Sinnen wird, schreit, verzweifelt um sich blickt, außer Atem gerät über einen entlaufenen Hund oder eine zerbrochene Vase.  - (bru)


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