Stinkebart   Er war, was man so einen schönen Mann nennt, einen der schönsten, formvollsten und bestgepflegten Bärte, nicht allein von Florenz, sondern von der ganzen Toskana, schwarz von Farbe und von ziemlich bedeutender Länge. Nachdem sich dann die anderen allmählich zu Tisch gesetzt hatten und bereits mit dem Essen der Wassermelonen beschäftigt waren, begann Dionigi, der sich eine Schnitte davon genommen und einen Schluck Wein getrunken hatte, da er sich aus diesem Gericht nicht viel machte, zu reden und sich über das Glücksgefühl, keine Schulden zu haben, noch je solche gehabt zu haben, zu verbreiten. Kaum aber hatte er angefangen, seine alte Leier herzubeten, als Giannetto seinem Freund einen Blick zuwarf, sich die Nase zuhielt und dieser desgleichen; beide aber hatten absichtlich Dionigi in die Mitte genommen.

»Was ist das für ein Gestank, den ich rieche?« begann der eine. »Der scheußlichste, den man je gerochen hat, in einer Fleischkammer kann es nicht so abscheulich riechen, auch nicht hinterm Mercato Vecchio«, antwortete der andere.

Verwundert, da sie keinen anderen Geruch wahrnahmen als gewöhnlich, schauten die Jünglinge einander fragend an und warteten, worauf das hinauswollte, als Dionigi, beinahe zornig, weil er sie die Nase zuhalten und ihn beständig von der Seite anblicken sah, auffuhr: »Soll ich etwa so stinken, daß Ihr mich so unverwandt anschaut?«

»Wenn ich nicht glaubte, daß Ihr in Zorn geraten würdet«, antwortete Giannetto, »so würde ich, vorausgesetzt, daß unsere anderen wackeren Gefährten hier es erlauben, der Wahrheit gemäß den Grund dieses gewaltigen Gestanks verraten.« Da sagte Dionigi, der, da er den ganzen Tag den Damen auf der Pelle lag, stutzerhaft aufsein Äußeres bedacht, über und über parfümiert und wie geleckt war: »Sag's, sag's, sag's ruhig, nimm keinerlei Rücksicht!« »Da Ihr es also wünscht«, bemerkte Giannetto, »werde ich ihn nennen«, und fuhr fort: »dieser Bart da ist's, der so gewaltig und wie Aas und Luder stinkt.« »Wieso?« fragte Dionigi, »was soll das heißen?«

»Hört mich an, und Ihr werdet es erfahren«, sagte Giannetto und fuhr fort: »Die Stammgäste der Schenken und die Leute, die dort tagaus tagein trinken und essen, sind zumeist Menschen von ganz üblen Sitten, unanständig und schweinisch, die, ohne sich im geringsten darum zu kümmern, daß sie bei Tisch sitzen, vorne und hinten hinaus Winde streichen lassen, nein vielmehr schimpflicherweise die Rülpse und Fürze förmlich hinausfeuern und quetschen und, sowie sie einen heraus haben, stets sagen: >In den Bart dessen, der keine Schulden hat.< Da Ihr nun nach Euren eigenen Worten weder Schulden besitzt noch je solche gehabt habt, so bin ich fest überzeugt, daß Ihr darin der einzige in Florenz seid, und da Ihr ferner einen so dichten und schönen Bart habt, so kommen alle ihre schimpflichen Verwünschungen zu Euch und schlüpfen in Euern Bart und setzen sich darin dermaßen fest, daß kein Haar in ihm ist, das nicht seinen Rülps und seinen Furz hätte. Und das ist der Grund, weshalb er so nach Erbrochenem und nach Kot stinkt, daß man es in seiner Nähe nicht aushallen kann. Ihr dürft Euch daher nicht mehr wundern, daß wir uns die Nasen zuhalten, und Ihr werdet gut tun, zunächst zu Eurer Ehre und dann, um uns eine Wohltat zu erweisen, Euch nicht mehr bei unseren Abendmahlzeiten einzufinden, es sei denn, Ihr kämt rasiert oder aber mit Schulden.«  - Antonfrancesco Grazzini, Feuer auf dem Arno. Berlin 1988 (zuerst ca. 1550)

Stinken Bart

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