Stimulans, erotisches   Der Innenminister veröffentlichte ein Kommuniqué, in dem es hieß, dass Berthe und Maximilian Danglars am fünften Januar verhaftet worden seien, als sie versuchten, heimlich in die Schweiz zu gelangen. Und ganz verblüfft erfuhr man, dass der hohe Justizbeamte und seine Frau seit Ende des Krieges etwa dreißig Einbrüche begangen hatten, von denen einer dreister war als der andere.

Nicht aus Habgier stahlen die Danglars, sondern eher, wie in allen diesen in der psychopathologischen Literatur mit einer Fülle von Einzelheiten beschriebenen Fällen, weil die Gefahr, die sie bei der Ausübung dieser Diebstähle liefen, ihnen eine außergewöhnlich starke und ausgesprochen sexuelle Erregung verschaffte. Diese steifen Großbürger, die immer Verkehr à la Walter Shandy miteinander gehabt hatten (einmal in der Woche kam Maximilien Danglars, nachdem er die Pendeluhr aufgezogen hatte, seiner Ehepflicht nach), machten die Entdeckung, dass die Tatsache, in der Öffentlichkeit einen wertvollen Gegenstand zu entwenden, bei beiden eine Art libidinöser Trunkenheit auslöste, die sehr bald ihr Lebensinhalt wurde.

Die Erkenntnis dieses gemeinsamen Triebes war ihnen ganz zufällig gekommen; als Madame Danglars eines Tages ihren Mann zum Juwelier Cleray begleitete, damit er sich ein Zigarettenetui aussuchen solle, hatte sie, von unwiderstehlicher Erregung und Angst ergriffen und der Verkäuferin, die sie bediente, fest in die Augen schauend, eine Gürtelschnalle aus Perlmutt gestohlen. Es war nur ein Luxusdiebstahl, doch als sie ihn abends ihrem Mann, der nichts bemerkt hatte, gestand, rief diese illegale Tat bei beiden gleichzeitig eine sinnliche Raserei hervor, die gewöhnlich bei ihren Umarmungen völlig fehlte.  - (rec)

Aragon: Wie denkt ihr über äußere Gefahr (zum Beispiel den Tod) während des Liebesakts?

Prévert: Das ist auf jeden Fall ein Stimulans; wer diese Gefahr nicht gespürt hat, hat nie geliebt.

Breton: Ich halte diese Ansicht für sehr übertrieben. Man muß sich der äußeren Gefahr bei der körperlichen Liebe mit einer Frau, die man liebt, nicht bewußt sein.

Duhamel: Ich könnte mir dieser Gefahr bewußt sein, wenn ich mit einer Frau schlafe, die ich liebe. Das wäre kein Stimulans, aber es würde, und das kann ich nicht erklären, bei mir größere Lust bewirken, vorausgesetzt, daß die Gefahr keine katastrophalen Formen annimmt und zur unmittelbaren Bedrohung wird.

Noll: Die Vorstellung einer solchen Gefahr hat mich niemals berührt.

Aragon: Ich habe die Gefahr sehr geliebt bis zu dem Tag, als sie für mich zu einer Drohung wurde, die speziell eine Frau betraf, die ich liebte. Von diesem Tag an schaudert mir vor ihr.

Breton: Handelte es sich um Lebensgefahr?

Aragon: Für diese Frau nicht.

Sadoul: Die Vorstellung von Gefahr erregt mich unbestreitbar.

Queneau: Wenn ich liebe, bin ich zu beschäftigt, um an Gefahr zu denken.

Péret: Ich bin ganz dieser Meinung.

Aragon: Mich kann eine winzige Kleinigkeit ablenken.

Queneau: Das ist auch wahr.   - Untersuchungen über die Sexualität. Anteil der Objektivität, individuelle Bestimmungen, Grad der Bewußtheit. 2. Abend. 31. Januar 1928. Nach:  Als die Surrealisten noch recht hatten. Texte und Dokumente, Hg. Günter Metken. Stuttgart 1976

 

Stimulans Erotik

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