timme, parthenopeische Die Wärme, die von der Stimme aus dem Text fließende Volltönigkeit, hatte alle überzeugt: die einen zum Nehmen, die anderen zum Verzichten: als ob sie die hadernden Seelen auf dem. Amboß des göttlichen Willens zusammenzwänge.
Eine schöne, männliche, parthenopeische Stimme, die aus den klaren Meeresgründen der Schlußfolgerungen heraufsteigt wie eine durchsichtige, sirenenhafte Nacktheit aus den milchigen Meeresgewässern im Mondlicht der Gajola, ist in der Tat und in jedem Atemzug völlig frei von jener zudringlichen Überzeugungswut, die vielen Grobianen des Nordens, und ihren grauborstig-verehelichten Condottieri (mit ihren Benzinleuchtfeuern) zu eigen ist. Es gefällt uns wohl, gefällt unserem Ohre, sich solch glücklichem Argumentieren zu überlassen, wie ein treibender Kork vom sanften Soge talwärts gezogen, dorthin, wo die Tiefe lockt. Der Fluß des Wortklangs ist nur das Symbol für den Fluß der Logik: die Wasserader der eleatischen Verkündung hat sich gestaut und fließt über: überspült die Dicho-tomien und sperrigen Unterbrüche des Geistes oder die blinden Unebenheiten des Wahrscheinlichen, verewigt sich in einem heraklitisch-dramatischen Fließen, voll dialektischer Dringlichkeiten, Neugier, Lust, Ungeduld, Zweifel, Ängste und Hoffnungen. Der Zuhörer sieht sich befähigt, seine Meinung in jeder beliebigen Richtung zu finden. Der Standpunkt der Gegenpartei zerstäubt in musikalischer Wollust, fängt sich dann wieder, aber mit einer völlig neuen Nase, wie die doppelgesichtige Janusfigur, die man zuerst von vorn betrachtet, gleich darauf aber von hinten.
Alle schwiegen.
Beim Lesen, oder beim Lauschen des mit solcher Anteilnahme verlesenen Textes,
der in der Tat etwas ungewöhnlich war, hätte man meinen können, daß die arme
Liliana beim Verfassen dieses Testamentes sich in einem Zustand von Wahnsinn
befunden habe, einer seherischen Halluzination, als ob sie bereits ihr Ende
unmittelbar vorausgeahnt: wenn nicht gar Gedanken an Selbstmord in sich bewegt
habe. Das Testament trug das Datum des 12. Januar, vor zwei Monaten also: das
Datum ihres Wiegenfestes, bemerkte der Gatte: kurz nach Dreikönig. Es wäre dies
>der Erguß einer Verrückten< dachte ein anderer still bei sich. Auch die
Schrift verriet dem Balducci, Don Ciccio und Don Lorenzo eine gewisse Sprunghaftigkeit,
eine gewisse Erregtheit: ein Graphologe hätte daraus ein Gutachten abgeleitet.
Ein seltsames Berauschtsein, über die Wirklichkeit, über die Namen und die Symbole
der Dinge hinweg: jene Wollust des Abschiednehmens, die allsogleich eine heroische
Bewußtseinslage erkennbar macht und einen unbewußt selbstmörderischen Geist:
wie einer, der sich vielleicht nicht auf die Reise begeben will, aber sich schon
mit einem Fuß am Gestade der Finsternis befindet. - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung
in der Via Merulana. München 1988
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