Sterben, mehrfaches  Mein Vater war schon mehrere Male gestorben, aber immer noch nicht gänzlich, immer mit gewissen Vorbehalten, die zur Revision dieser Tatsache zwangen. Das hatte seine gute Seite. Indem der Vater so seinen Tod in Raten zerkrümelte, machte er uns langsam mit der Tatsache seines Abgangs vertraut. Wir wurden seinen Wie-derkünften gegenüber gleichgültig, die immer seltener und mit jedem Mal trauriger wurden. Die Physiognomie des bereits Abwesenden zerteilte sich gleichsam in dem Zimmer, in dem er lebte, verästelte sich und bildete an bestimmten Punkten seltsame Ähnlichkeitsknoten von unglaublicher Deutlichkeit. Die Tapeten imitierten an bestimmten Stellen die Zuckungen seines Ticks, die Arabesken formten sich zur traurigen Anatomie seines Lachens; sie war in symmetrische Glieder aufgeteilt wie der versteinerte Abdruck eines Trilobiten. Eine Zeitlang machten wir einen großen Bogen um seinen iltisgefütterten Pelz. Der Pelz atmete. Die Panik der ineinander verbissenen und vernähten Tierchen huschte in ohnmächtigen Zuckungen über ihn hinweg und verlor sich in den Falten der Felle. Wenn man das Ohr anlegte, konnte man das melodische Schnurren ihres einträchtigen Schlafes hören. In dieser gut gegerbten Form, mit diesem leichten Geruch von Iltissen, Morden und nächtlicher Brunft hätte er es Jahre überstehen können. Aber auch da hielt er nicht lange aus.  - Bruno Schulz, Die letzte Flucht des Vaters. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen. München 1966
 
 

Sterben Wiederholung

 

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