Sterben lernen   Wenn ihr nicht zu sterben versteht, laßt es euch nicht kümmern; die Natur wird es euch im rechten Augenblick vollkommen hinreichend lehren; sie wird dies Geschäft meisterhaft für euch besorgen; zerbrecht euch nicht den Kopf darüber.

Wir trüben das Leben durch die Sorge um den Tod und den Tod durch die Sorge um das Leben. Die eine beschwert uns, die andere schreckt uns. Nicht auf das Sterben bereiten wir uns vor; das ist gar zu bald abgetan. Ein Viertelstündchen Leidens ohne Folge und Schaden verdient keine besonderen Anstalten. Die Wahrheit zu sagen, wir rüsten uns gegen die Zurüstungen auf den Tod. Die Philosophie gebietet uns, immer den Tod vor Augen zu haben, ihn vor seiner Zeit vorauszusehen und vorauszubedenken, und dann gibt sie uns Regeln und Vorkehrungen, um vorzubeugen, daß diese Voraussicht und dieses Bedenken uns nicht aufreibe. So halten es die Ärzte, die uns in eine Krankheit hineinstoßen, damit sie dann ihre Arzneien und Heilkünste anbringen können. Haben wir nicht zu leben verstanden, so ist es unrecht, uns sterben zu lehren und das Ende dem Ganzen des Lebens untreu zu machen. Haben wir standhaft und ruhig zu leben gewußt, so werden wir ebenso zu sterben wissen.   - (mon)

Sterben lernen (2) Wenn ich die Mühe ansehe, die Seneca sich gibt, um sich auf den Tod vorzubereiten, wenn ich ihn schwitzend und ächzend sich recken sehe, um sich so lange auf diesem hohen Seil zappelnd im Gleichgewicht zu halten, so hätte ich seine Größe in Zweifel gezogen, wenn er sie nicht im Sterben so mannhaft bewiesen hätte. Seine so brennende und immer wiederkehrende Unruhe zeigt, daß er selbst von hitziger und ungestümer Natur war. Er muß sich unter Aufbietung seiner selbst überreden. Und er zeigt ein wenig, daß ihm sein Gegner hart zusetzte.  - (mon)
 

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