Sterben, ewiges  Yen-Hui fragte Khung-Tse: «Meister, geht Ihr im Schritt, gehe ich im Schritt. Geht Ihr im Trab, gehe ich im Trab. Geht Ihr im Galopp, gehe ich im Galopp. Aber jagt Ihr aus den Schranken des Staubes, dann kann ich nur stehenbleiben und Euch nachstarren. Wie geht das zu?»

«Erkläre, was du meinst», sagte Khung-Tse.

«Ich meine», fuhr Yen-Hui fort, «dieses: Wenn Ihr redet, rede ich. Wenn Ihr beweiset, beweise ich. Wenn Ihr Tao predigt, predige ich Tao. Aber daß ich sage: Jagt Ihr aus den Schranken des Staubes, dann kann ich nur stehenbleiben und Euch nachstarren', damit meine ich: Ihr redet nicht und alle glauben Euch, Ihr eifert nicht und alle stimmen Euch zu, Ihr lockt nicht und alle sammeln-sich um Euch. Das ist es, was ich nicht verstehen kann.»

«Warum willst du dem nicht auf den Grund gehen?» sagte Khung-Tse. «Nichts ist so Kummers wert wie das Sterben des Geistes. Das Sterben des Leibes ist von weit geringerer Wichtigkeit.

Die Sonne steigt im Osten auf und geht im Westen unter. Da ist kein Ding, das sich nicht nach ihr richtete; und alle, die Augen «und Füße haben, hangen an ihr, um ihr . Werk tun-zu können. Wenn sie erscheint, ist das Leben erschienen; wenn sie schwindet, schwindet das Leben mit ihr. Und jeder Mensch hat seinen Sonnegeist, an dem er hangt: wenn der geht, stirbt er, und er lebt auf, wenn er wiederkehrt. Schreite ich geistbegabter Körper aber ohne die ewige lebenerneuernde Wandlung dem Ende zu; überlasse ich mich für die Tage und die Nächte der ewigen Abnutzung wie ein bloßes Ding; bin ich des ewigen Sterbens nicht bewußt, bin ich trotz diesem geistbegabten Körper des einen nur bewußt, daß nichts mich vor dem Grabe retten kann — dann zehre ich das Leben auf, bis es im Tode also ist, als hätten du und ich ein einziges Mal Schulter an Schulter gelehnt, ehe wir für immer getrennt wurden! Ist das nicht Kummers wert?

Du aber richtest deinen Blick auf etwas in mir, das, wenn du blickst, schon hingeschwunden ist. Und dennoch suchst du es, als müsse es noch da sein — wie einer auf dem Markt verkaufte Pferde sucht. Sieh; was ich an dir bewundre, ist wandelbar. Was du an mir bewunderst, ist wandelbar. Warum dich grämen? Wenn auch mein Selbst In jedem Augenblicke stirbt, in der Wandlung bewahrt sich das Ewige.»   - (tschu)

 

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