Sterbegeschichten   Eine Geschichte war mir nicht unlieb: von einem großen Feuer und wie es die Vorhänge im Zimmer der gnädigen Frau erfaßte und sie schreiend auf einem prunkvollen Scheiterhaufen verbrannte, wahrend ich im kleinen Salon im Parterre nervös die Spielkarten mischte. Doch was mich betrifft, so weiß ich genau, daß ich Dich ermordet habe - dieser Ausdruck gefallt mir - indem ich Dir mit glattem Hieb die Kehle durchschnitt, und Dich dann so - tot und mit wie abgehackt herunterbaumelndem Kopf - bei Tisch sitzen ließ, während ich mit schamloser Fröhlichkeit aß und trank. Jenes bluttriefende Tischtuch verwahre ich noch, aber mit welchem Blut, mit welch bluttriefendem Blut Du noch immer blutest, das kann ich nicht vergessen.

An Tagen der Milde erzähle ich mir, ich hätte mich in der Eintönigkeit der Heide verloren, und Du hättest mich beim Licht rhetorischer Fackeln im Regen gesucht und wärest dabei vor Beklemmung gestorben, oh meine Geliebteste. Oder Du wärest vielleicht ahnungslos an den Rand jenes Schachts gelangt, der zum jahrhundertealten Thron aus Staub führt, wärest hineingefallen und zerborsten, mein deokrativer Blut-springquell, und hättest Dich in den Nebel, der mit den eleganten Moosgenitalien verziert ist, aufgelöst und wärest dort unten geblieben - Du - Königin - Königin, die mich erwartet - Nichtskönigin in Deinem Nichtskönigreich.

Deine Abwesenheit: ich konnte mir Deine Abwesenheit nicht erklären, und weil Deine Abwesenheit eine Abwesenheit von mir war, mußte ich Dich umbringen und zerfleischen. Aber konntest Du denn nicht auch - erpicht wie Du auf das Prestige Deiner Fluchten warst -, konntest Du nicht auch barmherzig, wild und lasziv mit dem Fleisch eines meiner Diener geflohen sein? Ich sah sie forschend an und fragte sie aus - es fehlten Deine Kleider, Dein Ring lag auf der Schwelle.   - Giorgio Manganelli, Amore. Berlin 1982

Sterben Geschichten

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