teppe    Da ist nun die Steppe, ähnlich war der Bau des Landes auf der Fahrt nach Belgorod, nach Norden, nur ist hier recht aus dem Vollen geschöpft, entworfen und gestaltet ohne Furcht vor den letzten Konsequenzen des Stilgedankens, rücksichtslos m der Lust der flachen Bogen, auslassend das Verlangen tischflacher Flachen nach der Ferne, ausbrechend in Zügen grauer, am Himmelsrande hinschießender Riesenwale, die im Wahn durchscheinender Freiheit am harten Kristall des Horizonts entlangrasen Man steht auf der Hohe einer flachen Aufbaumung der Erde inmitten eines Vorgangs von zweierlei Grenzenlosigkeiten der einer auf die Ewigkeit eingerichteten Ruhe und der Grenzenlosigkeit des monumentalsten Dranges zur Entfaltung dumpfer Gestaltungslust. - Ernst Barlach, Russisches Tagebuch, nach: E. B. mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Catherine Krahmer. Reinbek bei Hamburg 1984 (rm 335)

Steppe (2) Wenn auch an Juliabenden und in Julinächten die Wachteln und die Riedhühner nicht mehr schlagen, wenn auch in den Waldschluchten die Nachtigallen nicht mehr singen und die Blumen nicht mehr duften, so ist die Steppe doch immer noch schön und voller Leben. Denn kaum ist die Sonne untergegangen und kaum hat Dunkelheit die Erde umhüllt, da ist auch schon die Plage des Tages vergessen, es ist alles verziehen, und leicht atmet die Steppe auf mit weiter Brust. Als läge es nur daran, daß im Dunkeln das Gras sein eigenes Alter nicht wahrzunehmen vermag, steigt in ihm ein heiteres junges Gelärm auf, das es am Tage nicht gibt; Knarren, mehrstimmiges Pfeifen, Knistern, alle die Bässe, Tenöre und Diskante der Steppe - das alles verschmilzt zu einem unaufhörlichen monotonen Getön, das ganz besonders geeignet ist, Erinnerungen aufzuwecken und leicht traurig zu sein. Das monotone Gezirpe schläfert ein, als wäre es ein Wiegenlied. Man fährt dahin und fühlt, daß man einnickt, plötzlich aber hallt dann aus der Ferne der abgerissene aufgeregte Schrei eines noch nicht eingeschlafenenVogels, oder es erklingt ein unbestimmter Laut, der an eine Stimme gemahnt, etwa in. der Art eines erstaunten »Ah-ah!«, und schon läßt Müdigkeit die Lider zufallen. Oder man kommt an einem ausgetrockneten. Eachbett vorbei, von Büschen bestanden, und hört, wie der Vogel, den die Steppenleute »Schläfer« nennen, jemandem zuruft: »Ich schlaf! -Ich schlaf!-Ich schlaf!«, während ein anderer laut lacht oder sich in einem hysterischen Schluchzen ausgibt - das ist dann eine Eule. Für wen sie so schreien und wer sie auf dieser Ebene hören mag, Gott allein vermag das zu wissen, doch liegt in ihrem Schrei viel Traurigkeit und manche Klage... Es riecht nach Heu, nach trockenem Gras und verspäteten Blumen, aber dieser Duft ist schwer und -süß, sogar süßlich und sehr fein.

Durch das Dunkel ist alles wahr zunehmen, nur die Farbe und die Umrisse der Dinge sind schwer auszumachen. Alles stellt sich anders dar, als es wirklich ist. Man fährt und gewahrt plötzlich vorn am Weg eine Silhouette, die einem Mönch gleichsieht; er bewegt sich nicht, er wartet und hält etwas in der Hand ... Vielleicht ein Räuber? Die Gestalt nähert sich und wächst, schon ist sie auf gleicher Höhe mit der Kalesche, und da erst sieht man, daß es kein Mensch ist, sondern ein einsamer Busch oder ein großer Stein.   - Anton Tschechow, Die Steppe. Nach (tsch)

Steppe (3)  Eines Tages sind die Wolken unheimlich dicht und heiß, und jetzt sehen und riechen sie, es ist nicht Staub, sondern Rauch. Sie haben es lange befürchtet, die Steppe brennt. Der Horizont über den Wolken ist feurig beleuchtet. Die Flammen steigen und fallen. Es ist aber merkwürdig, wie ruhig die Führer bei dem Feuer bleiben, sie nicken, als sie es sehen, und ziehen weiter. Der Wind treibt die Rauchwolken her, man weicht ihnen aus, die schwarze feuererfüllte Umwelt zieht nördlich vorüber, eine knatternde brausende Gewalt, die heiß bläst, am Rand der Brunst sausen Raubvögel und stoßen herunter auf die fliehenden Kleintiere: Hasen, Eidechsen, Schlangen.

Der Himmel umzieht sich öfter, urplötzlich stürzen Regengüsse herunter. Darauf fangen die Zikaden zu singen an, von Bäumen und Sträuchern tönt ihr schriller Gesang, am Abend wird es ein Zischen wie aus einem Kochtopf.   - Alfred Döblin, Amazonas-Trilogie. Bd.1, Land ohne Tod. München 1991

 

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