Stein, heiliger  Als Abschluß des Tawaf sollte man versuchen, den Stein zu küssen. Eine Zeitlang blickte ich verzweifelt auf die ihn belagernde, wimmelnde Menschenmenge, bestehend aus Beduinen und anderen Pilgern. Aber Mohammed hatte heftig gegen Ketzerei und Schisma geeifert, indem er jeden Perser, der ihm in den Weg trat, unflätig beschimpfte; und die unangebrachte Einfügung anstößiger Wörter in seine Gebete machten diese zu einem seltsamen Flickwerk; wie etwa »Ave Maria purissima - arrah, laßt dieses Schwein nicht an den Trog - sanctissima«, und so weiter. Er wiederholte zum Beispiel »Und ich suche Zuflucht bei Dir vor der Unwissenheit der Welt«, als Einschub kam dann »O du Verfluchter, Sohn eines Verfluchten!«, an irgendeinen langbärtigen Khorasani gerichtet - »Und m dieses wird kommen« - »O Schwein und Bruder einer Schweinin!« Und so fuhr er fort, bis ich mich wunderte, daß niemand es wagte, sich umzudrehen und ihm den Garaus zu machen.  Nachdem er sich vergebens an jene Pilger gewandt hatte, von denen lediglich ein Mosaik aus Häuptern und Schulterblättern zu sehen war, scharte Mohammed etwa ein Dutzend kräftige Männer aus Mekka um sich, mit deren Hilfe und unter Aufbringung aller Kräfte wir uns in das dünne und leichtfüßige Menschengewusel hineindrängten.  Die Beduinen drehten sich um uns wie Wildkatzen, aber sie trugen keine Dolche. Da die Pilgerzeit in den Herbst fiel, hatten sie sich seit sechs Monaten nicht mit Milch mästen können und ähnelten lebenden Mumien, so daß ich allem leicht ein halbes Dutzend von ihnen hätte bewältigen können. Nachdem wir folglich den Stein erreicht hatten, trotz allgemeiner, durch ungeduldige Schreie untermauerter  Entrüstung,  nahmen wir ihn für wenigstens zehn Minuten in Beschlag. Während ich ihn küßte und Hände und Stirn an ihm rieb, betrachtete ich ihn eingehend und verließ ihn mit der Überzeugung, er sei ein Aerolit. - Sir Richard Francis Burton, nach: Ilija Trojanow, Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton. München 2008 (zuerst 2007)

Stein, heiliger (2)  Die Araukaner behaupten, daß der Stein Menschenblut verlangt, fressen kann und ganz rot wird, wenn er gefüttert wird, was nur der jeweilige Kazike tun darf, da er der einzige ist, der den Stein berühren darf, dort in San Ignacio, wo der Stamm Namunkura seinen Landbesitz hat.

Der Stein bekommt als erster das bei den heiligen Opfern geweihte Blut der Tiere zu trinken, was ihm anscheinend zusagt, da er laut schluckt, schmatzt und wie ein Tier sich beträgt. Zusehen darf nur der Kazike, der behauptet, daß der Stein wie ein Kind aussähe, einen Mund habe, wohlgebildet sei, gerne ruhig, in Seide gewickelt, von einem Camarukun zum andern warte, doch hie und da lebendig werde und aus der Eisenkiste entfliehe, eben als ›wandelnder Stein‹.  - (arauk)

Stein, heiliger (3)  
 

Stein

 

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