tehaufmännchen  Im Erdgeschoß fiel eine Tür ins Schloß.
Ein Körper kam aus dem Nichts, prallte gegen meinen Rücken, brachte mich zu Fall. Auf meiner Wange spürte ich die kühle Glätte von Seide. Eine sehnige Hand tastete nach meiner Kehle.
Ich krümmte mein Handgelenk, bis meine Kanone, fest an mein Jochbein gepreßt, nach oben ragte. Mit einem Stoßgebet für mein Ohr drückte ich ab.
Meine rechte Gesichtshälfte brannte, in meinem Kopf dröhnte es, als wolle er gleich platzen.
Die Hand an meiner Kehle sackte weg.
Pat hievte mich auf die Beine. Wir staksten vorsichtig treppabwärts.
Swisch ... Wumm!
Etwas Kompaktes sauste an mir vorbei und streifte dabei mein Haar. Eine Ladung Glas, Porzellan, Gips explodierte direkt zu meinen Füßen und spritzte an mir herauf. Ich hob den Kopf und das Schießeisen.
Ein Neger beugte sich mit vorgerecktem Oberkörper über das Treppengeländer. Ich verpaßte ihm eine Kugel, Pat zwei. Der Neger kippte vornüber. Er kam mit ausgebreiteten Armen und flatternden Seidenärmeln auf uns heruntergesegelt — Sturzflug eines Toten.

Wir machten, daß wir unter ihm wegkamen. Seine Landung erschütterte das Haus in den Grundfesten. Wir hatten keinen Blick dafür. Unsere Aufmerksamkeit war anderweitig gefesselt.
Um den spärlichen Lichtschein, der von oben herabfiel, konnten wir den glatten geschniegelten Kopf verstohlen um die Ecke lugen sehen. Gleich darauf war er wieder verschwunden.
Pat Reddy, näher am Geländer als ich, schwang sich an einer Hand darüber und plumpste ins Dunkel.
Ich schaffte den Rest der Treppe mit zwei Sätzen, wirbelte mich um den Pfosten herum und prellte in den stockfinsteren Korridor vor, in dem es plötzlich sehr laut zuging.

Eine Wand, die ich nicht sehen konnte, rammte mich. Ich prallte an die gegenüberliegende Wand und landete schneller als erwartet in einem Zimmer, das mir nach der Finsternis im Korridor taghell vorkam. Durch zwei verhüllte Fenster sickerte graues Morgenlicht herein.
Pat Reddy stützte sich mit einer Hand auf eine Stuhllehne und hielt sich mit der anderen den Bauch. Sein Gesicht war grün, seine Augen glasig vor Schmerz. Er sah aus wie ein Mann, der eben einen Fußtritt abgekriegt hat. Dennoch versuchte er zu grinsen, es wurde aber nichts daraus. Er zeigte mit dem Kopf auf den rückwärtigen Teil des Hauses. Ich pirschte los.
In einem schmalen Durchgang fand ich Raymond Elwood.
Er zerrte schluchzend an einer abgesperrten Tür. Sein Gesicht war kreidebleich vor Entsetzen.
Ich schätzte die Entfernung zwischen uns ab. Als ich lossprang, drehte er sich um. Ich legte alles, was ich hatte, in den abwärtsschwingenden Arm mit dem Schießeisen ...

Eine Tonne Fleisch und Knochen kollidierte mit meinem Rücken. Ich taumelte atemlos, schwindlig, benommen gegen die Wand.
Rote Seidenärmel, die in braunen Pratzen endeten, umklammerten mich.
Ich fragte mich, ob ich es mit einem ganzen Regiment von diesen buntscheckigen Negern zu tun hatte, oder ob ich mich in einer Tour mit ein und demselben herumbalgte.
Viel Zeit zum Nachdenken ließ mir mein augenblicklicher Gegner nicht. Er war groß und stark. Er ging aufs Ganze.
Mein Waffenarm hing flach an der Seite herunter. Bewegen konnte ich ihn nicht. Ich zielte auf die Füße des Schwarzen. Schoß vorbei. Probierte es noch mal. Er zog einen Fuß hoch. Ich drehte und wand mich, bis ich ihm halbwegs ins Gesicht linsen konnte. Elwood bearbeitete mich von der anderen Seite.

Der Neger drückte mich zurück, faltete mein Rückgrat wie ein Akkordeon zusammen. Ich versuchte, die Knie steif zu halten. Zuviel Gewicht hing an mir. Meine Knie gaben nach. Mein Körper krümmte sich nach hinten.
Pat Reddy tauchte schwankend in der Tür auf. Als ich ihn über die Schulter des Negers hinweg erspähte, kam er mir wie der Erzengel Gabriel vor.
Reddys Gesicht war grau und schmerzverzerrt, aber seine Augen waren klar. In der Rechten hatte er eine Kanone. Mit der Linken fischte er einen Totschläger aus der Gesäßtasche. Er verpaßte dem Neger einen Hieb auf den geschorenen Schädel. Der Schwarze ließ mich los, schüttelte grunzend den Kopf und torkelte auf Pat zu.
Pat verpaßte ihm noch rasch ein Ding, bevor der Neger ihm auf den Leib rückte — traf ihn genau ins Gesicht, konnte ihn aber nicht abschütteln.
Elwood hing noch immer an mir wie eine Klette. Ich drehte meine rechte Hand schräg nach oben und jagte ihm eine blaue Bohne sauber durch die Brust und ließ ihn an mir zu Boden gleiten. Er schlang die Arme um meine Hosenbeine.

Der Neger hatte Pat an die Wand gedrängt und machte ihm allerhand zu schaffen. Sein breiter roter Rücken war eine gute Zielscheibe.
Aber ich hatte fünf von den sechs Pillen in meinem Magazin schon verbraucht. Zwar hatte ich noch genügend Munition in der Tasche, aber neu laden kostet Zeit.
Ich stelzte über Elwoods kraftlose Arme weg und begann den Neger mit dem Pistolenknauf zu bearbeiten. Da, wo sein Schädel in den Nacken überging, hatte er einen dicken Speckwulst. Nach dem dritten Schlag kippte er um und begrub Pat unter sich. Ich rollte ihn herunter. Der blonde Polizeidetektiv stand auf.

Am anderen Ende des Durchgangs fanden wir eine leere Küche. Daraufhin wandten wir unser Augenmerk der Tür zu, mit der Elwood sich so intensiv beschäftigt hatte. Sie war ein solides Stück Schreinerarbeit und fest verriegelt.
Mit vereinter Kraft — zusammen immerhin dreihundertsiebzig oder -achtzig Pfund — warfen wir uns gegen die Tür. Sie wankte, wich aber nicht. Neuer Anlauf — wumm! Irgendwo splitterte Holz.
Dritter Versuch.
Die Tür krachte auf und gegen die Wand. Wir schössen kopfüber hindurch und rollten, ineinander verknäult, eine Treppe hinunter, bis uns ein Zementboden stoppte.

Pat fand als erster seine fünf Sinne wieder.
»Sie sind mir 'n feiner Akrobat«, sagte er. »Runter von meinem Rücken!«
Ich stand auf. Er stand auf. Wir schienen die Nacht in schöner Regelmäßigkeit mit Hinpurzeln und Wiederaufrappeln zu verbringen.

An meiner Schulter spürte ich einen Schalter. Ich knipste Licht an.

Falls ich auch nur halb so übel aussah wie Pat, waren wir zwei ein paar bildschöne Schreckgespenster. Er war von oben bis unten zerschunden, blutig und verdreckt und hatte nur noch Fetzen am Leib. Bei mir war es vermutlich nicht viel anders. - Dashiell Hammett, Die toten Frauen von Frisco. Frankfurt am Main und Berlin 1969 (Ullstein Buch 1230, zuerst 1924)

Stehaufmännchen (2)  Wenn immer er solo mit Hund die stille Männertoilette besuchen will, um Einkehr zu halten und Abstand von dieser Welt zu gewinnen, rühren ihn in bewegter Bahnhofshalle Mädchenfinger Hausfrauenfinger Prinzessinnenfinger fordernd an: «Komm mit. Ich weiß wo, Ich kenne einen Hausmeister, der vermietet. Eine Bekannte von mir ist verreist für ein paar Tage. Ich kenne eine Kiesgrube, die ist nicht mehr in Betrieb. Ich habe für uns in Deutz. Wenigstens ein Stündchen. Nur mal aussprechen. Wollschläger schickt mich. Mir blieb keine andere Wahl. Hinterher geh ich, Ehrenwort. Komm mit!»

Diese Fürsorge bringt Matern auf den Hund und läßt Pluto fett werden. Oh, rückläufige Rache! Wut beißt Watte. Haß scheißt Liebe. Der Bumerang trifft ihn, da er meint, fünfundachtzigmal getroffen zu haben! Tu NICHT ZWEIMAL DAS GLEICHE - ES IST NIEMALS DAS GLEICHE ! Denn bei bester Ernährung nimmt er ab: schon passen ihm Göpferts Oberhemden; so wohltuend Otto Wamkes Birkenhaarwasser seine Kopfhaut kühlt, Materns Haare fallen aus. Als Konkursverwalter tritt auf: der Heimkehrer Tropfhansl; denn was er meint, im Bayrischen Wald oder im Regierungsbezirk Aurich deponiert zu haben, verseucht ihn oberfränkisch sowjetzonal hinterwäldlerisch. Leitmotive sind Mordmotive: sechsmal muß er, Tropfhansls wegen, in Steckdosen pissen. Das wirft ihn um. Das haut ihn hin. Roßkuren kurieren ihn. Gonokokken verseuchen ihn. Elektrizität schlägt Matern k. o. Doppelschläfrige Bettgestelle machen aus einem reisenden Rächer einen auslaufenden Don Juan. Schon hat er den übersättigten Blick. Schon plappert er hinreißend und auswendig über Liebe und Tod. Zärtlich vermag er zu sein, ohne hinschaun zu müssen. Schon tätschelt er seine Lustseuche wie des Genies liebstes Kind. Der kleine Wahnsinn gibt sein Visitenkärtchen ab. Bald wird er sich nach dem Rasieren entmannen wollen, wird Leporello, dem Hund, hinwerfen wollen seinen gefällten Phänotyp.

Wer rettet Matern? Denn was ist alle verstiegene Philosophie gegen ein einziges Stehaufmännchen ohne Vernunft! Was ist die siebenmalige und zipfelmützensüchtige Besteigung des Feldberges gegen sechs kontaktwütige Steckdosen! Dazu das Geplärre: «Mach mir 'n Kind. Mach mir eins weg. Mach mich dick. Paß auf, daß nischt hängenbleibt. Spuck mich voll. Kratz mich aus. Rein. Weg. Eierstöcke!» Wer rettet Matern, kämmt ihm die toten Haare aus und knöpft ihm bis auf weiteres die Hose zu? Wer ist lieb zu ihm, selbstlos? Wer stellt sich zwischen ihn und die behaarten aufgeweichten Semmeln? - (hundej)


Männchen

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