teg   Bei einem Orte, der Masirah heißt, springt das Gebirge halbmondförmig in die See hinaus. An seinem Fuß bricht sich die Brandung, während der Gipfel in die Wolken ragt. Der Stein ist eisenfarben und äußerst glatt. Hier führt der Pfad in halber Höhe die steile Wand entlang - als kaum zwei Handbreit starker Saum, der eben für einen Menschenfuß,  für einen Maultierhuf genügt, doch nur bei sicherem und schwindelfreiem Schritt. Das Auge darf sich auf diesem Gange - weder abwärts senken zum weißen Kranz der Brecher, von dem es furchtbar angezogen wird, noch darf es sich aufwärts heben zu den Höhen, die der Albatros umkreist. Es muß sich an die glatte Felswand heften, an der die Hand sich tastend hält.

Derart, in schauerlicher Höhe, spinnt sich der Steg am Klippenrand entlang, in starkem Bogen, dessen Wölbung seewärts gerichtet ist. Er ist nur halb zu sehen, wenn man ihn betritt. Aus diesem Grunde pflegt man dort, wo beim Bogen die Sehne angeheftet wird, zu rasten, um sich zu vergewissern, daß der Steg nicht von der Gegenseite betreten wird. Das nun geschieht auf diese Weise, daß man von der Felsenkanzel nach Art der Muezzine einen starken Ruf erschallen läßt. Wenn keine Antwort kommt, darf man die Bahn als frei betrachten und sich auf sie hinauswagen.

Auf diese Weise überschritt auch Riley den Abgrund als Gefangener des Mauren Seid auf dem Wege zum Sklavenmarkt von Mogador. Riley war Seemann und schon mit fünfzehn Jahren dem Elternhaus entlaufen, um auf Segelschiffen Dienst zu tun. Solche Männer sind schwindelfrei. Und dennoch sagt er, daß ihn auf diesem Wege die Verzweiflung faßte und daß ihm die Welt im Fundament zu wanken schien. Zuweilen mußte er die Augen schließen, um die Wirbel zu stillen, die sich in seinem Inneren erhoben, ihn hinabzusaugen in das grenzenlose Nichts. Dann kamen Stellen, die aus dem Felsband ausgebrochen waren und vor denen die Tiere scheuten, ehe sie zum Sprung ansetzten.

Riley beschreibt, wie er, nachdem er den Weg beendet hatte, noch lange unfähig, ein Glied zu rühren, auf der Erde lag. Es war ihm, als ob das Himmelsgewölbe kreiste und die Wogen sich zu ihm emporhöben. Die Flügel der Vernichtung hatten ihn gestreift. Nur langsam beruhigte sich sein Herz. Er sah das dunkelblaue Meer in peitschenden Wogen branden und Wellen werfen, von denen jede größer war als ein hoher Berg. - Ernst Jünger, Der Steg von Masirah, nach: E. J., Ausgewählte Erzählungen. Stuttgart 1985 (Aus: Heliopolis. 1949)

Steg (2)

 

  - Bosc, Alles, bloß das nicht. Ausgewählte Cartoons. Zürich 1982 (detebe 21890, zuerst 1974)

Steg (3)  Man sagt, daß in alten Zeiten sich das Unwahrscheinliche ereignet hat. Es kamen zwei Karawanen, die eine von Mittag, die andere von Mitternacht, auf diesen Abgrund zu. Und beide verabsäumten den Warnungsruf. Sie trafen sich an dem Punkt, an dem der Bogen die höchste Spannung hat.

Es heißt, daß jene, die von Süden kamen, aus Ophir Gold brachten. Die anderen, Juden aus dem Maghrib, hatten ihre Tiere mit Salz beladen und waren nach der großen Stadt im Inneren der Wüste unterwegs. Das Kismet wollte es, daß beide Karawanen mit ihren Lasten und Maultiertreibern sich am hohen Mittag auf dem Grat begegneten. Die Führer verhandelten bis zum Beginn der Nacht, zunächst im Guten, sodann mit Drohungen. Dann kam es zum Kampf; sie stürzten sich aufeinander und rissen sich, ineinander verbissen und verschlungen, in den Tod hinab. Es wird berichtet, daß keiner entkommen ist. - Ernst Jünger, Der Steg von Masirah, nach: E. J., Ausgewählte Erzählungen. Stuttgart 1985 (Aus: Heliopolis. 1949)

Steg (4)   Conrad Gesner berichtet, zwei Ziegen seien sich mitten auf einer hohen, schmalen Brücke ohne Geländer begegnet; links und rechts gähnte ein tiefer Abgrund; an ein Rückwärtsgehen war nicht zu denken. Was tun? Nun, die eine Ziege legte sich ebenso ruhig wie vernünftig nieder und ließ die andere über sich hinwegsteigen; dann konnten beide ihres Weges ziehen.  - (schen)

Steg (5)  

- N. N.

Brücke
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