taub Staub ist eine Ansammlung beziehungsweise Ablagerung oder Anhaftung von Kleinstpartikeln, die schon von Natur aus als Staub vorkommen, oder von erst durch Zerfall, Abrieb oder Ablösung von Gegenständen oder Körpern zu Staub gewordenen Überresten eines nicht staubförmigen Materials; Straßen- und sonstiger Schlamm ein mit Flüssigkeit vermischter, Schmutz ein in der Regel mit ausgetrockneten Fetteilchen durchsetzter mehr oder weniger stark gebundener Staub, und der Begriff Staub bezeichnet zunächst auch nichts als die gemeinsame Beschaffenheit seiner Substanzen, ihren pulverartigen oder pulverisierten Zustand. Nach einem Wort des Chemikers Justus Liebig enthält der Staub "im kleinen alle Dinge, die uns im großen umgeben"; wollte man lückenlos die Bestandteile aufzählen, aus denen Staub sich zusammensetzen kann, müßte man sämtliche auf der Erde vorkommenden organischen und anorganischen, synthetischen und natürlichen Stoffe nennen.
Staub ist also, indem er in seinen Substanzen die Umgebung,
der er entstammt, nicht nur geradezu enzyklopädisch,
sondern auch in einer weder in den Naturwissenschaften noch im Alltag
sonst bekannten Gleichwertigkeit und Beziehungslosigkeit seiner Bestandteile
wiedergibt, ein für die dokumentarische Erschließung materieller Zusammenhänge
unersetzliches Phänomen. - (
net
)
Staub (2) Es ist ja unglaublich, wieviel
Staub sich auf den Möbeln ansammelt. Buenos Aires mag eine saubere Stadt sein,
doch das nur dank ihrer Einwohner und nicht ihres Namens wegen. Zuviel Schmutz
in der »guten Luft«, und kaum weht ein Lüftchen, schon legt sich der Staub auf
den Marmor der Konsolen und zwischen die Kreuzstickereien der Tischdecken und
man hat hat ihn an den Fingerkuppen; es macht viel Arbeit, ihn mit dem Staubwedel
wegzukriegen, er fliegt auf, bleibt eine Weile in der Luft und legt sich dann
von neuem auf Möbel und Klaviere. - (
best
)
Staub (3)
der staub ist nicht laut der staub, den ich liebe |
- Ernst Jandl, Idyllen. Darmstadt 1989
Staub (4)
Staub (5) Die Straße war wie ein geräumiger Geist, in dem Schattenworte und Schattengedanken umherstreiften, wo sich aber die umherirrenden Schatten schämten, Schatten zu sein, und daher ständig Aufmerksamkeit verlangten, damit sie niemand für Schatten hielt, und dabei hielten sich alle gegenseitig für etwas anderes.
Jene Schatten, die sich schämten, Schatten zu sein, drängten sich alle an einem winzigen Ort zusammen, es war eine Straße, um die herum grenzenlose, ins Unendliche entweichende Räume lagen. Und an diesem Ort lag in der Luft Staub, der sich in alle Ecken verkroch und alle Gegenstande überzog, sich über Neonlichter und Schaufenster legte. Es war ein merkwürdiger Staub, der alles, was er berührte, dumm machte und den nichts aufhalten konnte, denn, wie man weiß, kriecht der Staub in alle Ritzen.
Die junge Frau stellte sich in ihrer Vision vor, jener Staub sei ein Teil des Erdbodens, sei nichts anderes als die dumpfe Erdenschwere, die, vom Wind hochgewirbelt, die Gestalt einer Staubwolke annahm und sich als dumpfe Dummheit oder dumpfe Verwunderung über das eigene Schattendasein auf die Schatten legte.
Aber warum verlangten dann die Schatten ständig ihre Aufmerksamkeit, wenn sie unterwegs war? Warum zwinkerten sie ihr mit ihren Worten und Bewegungen ständig zu, ohne ihr bange zu machen?
Da merkte sie plötzlich, daß ihr die Passanten nachschauten, weil sie mit
lauter Stimme ein Selbstgespräch führte. Sie wurde
verlegen, aber gleich darauf war ihr die Sache nicht mehr peinlich, denn es
ging ihr folgendes durch den Sinn: »Vielleicht ist alles, was geschieht, ohnehin
falsch.« - Gianni Celati, Der wahre Schein. Berlin o. J. (zuerst 1987)
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