tammessprache Wie der Literat findet auch der Wissenschaftler es notwendig, »den Wörtern seines Stamms einen reineren Sinn zu geben«. Aber die Reinheit wissenschaftlicher ist nicht dieselbe wie die literarischer Sprache. Der Wissenschaftler ist bestrebt, jeweils nur eins zu sagen und es unzweideutig und mit der größtmöglichen Klarheit zu sagen. Um das zu erreichen, vereinfacht und jargonisiert er. Mit andern Worten, er gebraucht den Wortschatz und die Grammatik gemeinsamer Sprache auf eine solche Weise, daß jeder Ausdruck und jeder Satz nur auf eine einzige Weise auslegbar ist; und wenn der Wortschatz und die Grammatik gemeinsamer Sprache zu ungenau für seine Zwecke sind, erfindet er eine neue, eine Fachsprache oder einen solchen Jargon eigens dazu, die eingeschränkten Bedeutungen auszudrücken, mit welchen er berufsmäßig befaßt ist. In vollkommener Reinheit hört die wissenschaftliche Sprache auf, eine Sache der Wörter zu sein, und verwandelt sich in Mathematik.
Der literarische Künstler reinigt die Sprache seines Stamms auf eine grundverschiedene
Weise. Das Bestreben des Wissenschaftlers ist, wie wir gesehen haben, jeweils
nur eins und nur dieses eine zu sagen. Das ist ganz entschieden nicht das Bestreben
des literarischen Künstlers. Das menschliche Leben wird gleichzeitig
auf vielen Ebenen gelebt und hat viele Bedeutungen. Die Literatur ist ein Mittel,
um die mannigfaltigen Tatsachen zu berichten und ihre verschiedenen Bedeutungen
auszudrücken. Wenn der literarische Künstler es unternimmt, den Wörtern seines
Stamms einen reineren Sinn zu geben, tut er das mit dem ausdrücklichen Zweck,
eine Sprache zu schaffen, die fähig ist, nicht die einzige Bedeutung in einer
bestimmten Wissenschaft zu vermitteln, sondern die vielfache Bedeutung menschlichen
Erlebens auf dessen höchst privater ebenso wie auf dessen mehr öffentlicher
Ebene. Er reinigt oder läutert nicht mittels Vertiefens und Erweiterns, mittels
Bereicherns durch anspielende Harmonien, durch Obertöne der Assoziation und
Untertöne klangvoller Magie. -
Aldous Huxley, nach C. P. Snow, Die zwei Kulturen. In: Die zwei Kulturen. Literarische und naturwissenschftliche
Intelligenz. Hg. Helmut Kreuzer, München 1987 (zuerst 1959/69)
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