tallknecht  Fröhlich über das unerwartete Erscheinen des Stallknechts, wie die Tauben fröhlich flattern beim Anblick neuen Futters, empfingen sie ihn mit königlichen Ehren. Erst schoben sie den Türriegel vor, damit der Fuchs nicht aus der Falle entwischen könnte; dann hießen sie ihn in ihrer Mitte niedersitzen, nachdem sie ihn mit einem blitzsauberen Handtuch abgewischt hatten. Der Stallknecht war ein Bengel von etwa zwanzig Jahren, bartlos, pausbäckig, mit 'ner Stirn wie 'ne Backmulde und 'nem Gesäß wie ein Abt, groß und stark, und mit einem Gesicht wie Milch und Blut, ein rechter Gedankenscheißer, mehr für Festefeiern als fürs Arbeiten – kurz, er paßte ihnen nur zu gut in ihren Kram. Er schwatzte die komischsten Dummheiten von der Welt, als er sich da so an einer Tafel mit Kapaunen und Pfauenbraten sah, schob sich faustgroße Bissen ins Maul wie ein Scheunendrescher und soff wie ein Bürstenbinder. Den Nönnchen aber kam es vor, als dauerte es tausend Jahre, bis er ihnen mit seinem Klöppel durch die Haare führe, und sie stocherten bloß im Essen herum, wie's Leute tun, die keinen Hunger haben. Der Stallknecht hätte getafelt wie ein Fuhrherr, wenn nicht schließlich die Lüsternste die Geduld verloren – wie sie einer verliert, der Eremit wird – und sich auf seine Pfeife gestürzt hätte wie der Hühnergeier aufs Küchlein. Kaum hatte sie ihn drangefaßt, so sprang ein Stück Lanzenschaft hervor, ein Ding wie die Posaune auf der Engelsburg, die ihren Bläser in die Luft reißt. Während nun die eine die Hand am Knüppel hatte, räumte die andere den Tisch ab. Ihre Kameradin schob sich den Kleinen zwischen die Beine und ließ sich auf des ruhig sitzen gebliebenen Stallknechts Flöte fallen. Und da sie so stürmisch schob und drängelte wie die Leute auf der Brücke, sobald der Segen erteilt ist, so fiel der Stuhl um und mit dem Stuhl der Stallknecht und die Nonne, und sie schossen einen Purzelbaum wie zwei Affen. Dabei schlüpfte der Riegel aus dem Loch heraus, und die andere Nonne, die inzwischen die Zähne gefletscht hatte wie 'ne alte Stute, kriegte Angst, der Kleine, der nichts auf dem bloßen Kopfe hatte, könnte sich erkälten, und deckte ihn schnell mit ihrem Verbi gratia zu. Darüber geriet ihre Freundin, die nun nicht mehr den dicken Nagel hatte, in solche Wut, daß sie ihr an die Gurgel sprang, und sie würgte, bis sie das Bißchen, was sie gegessen hatte, wieder von sich gab. Die andere drehte sich nach ihr um, ließ Stallknecht Stallknecht sein, und dann verwichsten die beiden Nonnen sich nach Noten wie die glückseligen Eckensteher und Sonnenbrüder. - Aretino

Stallknecht (2)  Hein schlich mit müder, kaum aufgebrochener Melankolie im Hause umher. Er sprach wenig, lächelte oft, weinte nie. Stundenlang bürstete er die runden Schenkel der Pferde, wusch ihnen umständlich die Hufe, wischte ihnen die Augenwinkel sauber, bestrich ihnen die Genitalien mit Olivenöl. Das Strohlager bereitete er tief. Lockerte es immer wieder mit der Forke. Das Futter reichte er in kleinen haufigen Mengen. Er war wenig im Sattel. Ritten Signe und Perrudja aus, fand er es angebracht, den Mist aus den Ställen zu schaffen. Oder Vorbereitungen zu treffen für eine unnütze Fortsetzung seiner gedehnten Arbeit. Bei Tische schwieg er beharrlich, ob auch die Reden Perrudjas und Signes lebhaft waren. Wurde er angeredet, fragte man, so kam die Antwort nur langsam aus ihm. Meist unvorteilhaft lässig formuliert. Auch widerspruchsvoll, sinnlos. Er war glücklich, wenn man ihn überging, seiner nicht achtete. Er saß unstraff da. Unordentlich in seinem Äußeren. Oft hatte er beschmutzte Hände nur in kaltem Wasser abgespült. Führte er sie dann unversehens an den Mund, gewahrte er selber, sie rochen stark nach Pferden. Er errötete darüber ein wenig. Das wieder wollte er verbergen. Darum bedeckte er das Gesicht mit breiten Handflächen und sog, wie zum Genuß, tief den Geruch von Stall und Tieren ein.- Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main 1966 (zuerst 1929)
 
 

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