tadtrand Hampstead
Heath. Gewiß hat sich inzwischen an diesen nördlichen Stadträndern alles
verändert. Damals war es kein Park, sondern eine städtische Heide ohne feste
Grenzen, halb verwahrloster Garten, halb Ödland, mit einem ziemlich engen Häusergürtel
auf der Südseite und wild wucherndem Buschwerk nach Norden. Wenn ich hier an
den Sommerabenden nach dem Essen spazierenging, dachte ich immer an jene unwirklichen,
savannenartigen Gelände, die von so klassischen Streunern heimgesucht werden,
wie sie sich Edgar Allan Poe auf bizarre Weise am Stadtrand von Paris ausgedacht
hat, um dort den Fall der Marie Raget spielen zu lassen. Wenn ich mich verspätete
und erst bei Einbruch der Nacht heimkehrte, war außer dem cant der britischen
Liebespaare, die überall im Gebüsch paarweise herumlagen (zu jener Zeit war
es für ein unverheiratetes Paar in London völlig ausgeschlossen, ein Hotelzimmer
zu finden), auf meinem Weg nur dann und wann der kurze, glasige Schrei der Kröte
zu vernehmen. - (
grac
)
Stadtrand
(2) Vom Rand zur Grenze
ist es in der Phantasie nur ein Schritt. Jedenfalls erwacht in mir bei jeder
neuen Lektüre des Gedichts von Rimbaud ("Die Stadt, mit ihrem
Qualm und ihren lärmenden Gewerben folgte uns lange auf unseren Wegen...")
das bittersüße — oft im Traum wiederempfundene, mir damals jedoch ständig geläufige
— Gefühl eines benommenen, schaudernden Entlangtreibens an einem riesigen, lebendigen
Leib, den man ganz in der Nähe atmen hört, aufgrund eines böswilligen Schicksals
jedoch nicht erreichen kann. Vor dem Hintergrund dieser ausdruckslosen, allmählich
gänzlich verstummenden und in eine Art Katalepsie verfallenden Glacis wird die
durch den Abstand in ihrer Unermeßlichkeit erfühlte Stadt unheimlich wie ein
riesiges, lauerndes Tier, das man nur keuchen hört.
- Julien Gracq, Die Form einer Stadt. Graz 1989 (zuerst 1985)
Stadtrand
(3) Der Karren rollt gemächlich holpernd der Stadt entgegen.
An der Absteigestelle, wo die Gasse und die Landstraße einander begegnen, steht
der erste Kramladen. Seine Besitzer sind alt; sie tragen einen Kropf, haben
Gespenster gesehen, ruhlose Seelen und Erscheinungen,
erzählen von Wundern und schließen die Tür, wenn die Zigeuner
vorbeiziehen, die Kinder stehlen, Pferde essen, mit dem Teufel
reden und Gott fliehen. - Miguel Angel Asturias,
Legenden aus Guatemala. Frankfurt am Main 1973 (BS 358)
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