prühen   Der Junge füllte die Gläser neu. Dieses Mal wußten die Brüder und Schwestern, daß es sich bei dem Getränk nicht um Wein handeln konnte, denn es sprühte. Es muß eine Art Limonade sein, die aufs beste zu ihrem angeregten Geisteszustand paßte und sie gleichsam von der Erde emporhob in höhere, reinere Regionen.

General Löwenhjelm stellte das Glas wieder zurück, wandte sich an seinen Nachbarn zur Rechten und sagte: „Aber das ist doch ein Veuve Cliquot 1860?" Der Angesprochene blickte ihn freundlich an, lächelte ihm zu und machte eine Bemerkung über das Wetter.

Der Junge hatte seine Anweisungen: Er füllte den Mitgliedern der Brüdergemeinde die Gläser nur einmal, dem General aber füllte er nach, sowie er ausgetrunken hatte. Und das geschah in raschem Wechsel. Denn wie soll sich ein Mann von Sinn und Verstand verhalten, wenn er sich auf Sinn und Verstand nicht mehr verlassen kann? Besser, man ist betrunken als verrückt. - Tania Blixen, Schicksalsanekdoten. Reinbek bei Hamburg 1988 (zuerst 1958)

Sprühen (2) »Ich zeig Ihnen mal, womit wir's zu tun haben«, brüllte Ricky dicht an Sidney Clarks Ohr. »Hier lang!«

Ricky öffnete eine unverschlossene Wohnungstür, und dahinter wurde es lauter, denn vier oder fünf Männer spritzten hier Pest-Ex Unique aus Tanks, die sie sich auf den Rücken geschnallt hatten. Sie sprühten hinter Bücherregale, die mit Plastik abgedeckt waren, unter Sessel und Sofas. Mr. Clark schwitzte jetzt schon. Als er einmal zu Boden sah, machte er unwillkürlich einen kleinen Satz. Kakerlaken zuckten dort, wälzten sich übereinander - einer drehte sich auf den Rücken und blieb so liegen - andere flitzten ziellos umher, und sie reichten von normaler Größe - oder was Mr. Clark dafür hielt - bis zu sieben oder acht Zentimetern. Ein paar krochen schon an seinem grün umhüllten Unterschenkel hoch, und er stampfte mit dem Fuß auf, um sie abzuschütteln.

»Die sterben alle!« schrie Ricky. »Keine Bange, in Ihren Anzug können sie nicht rein! Die sind alle aus den unteren Stockwerken raufgekommen!«

Sidney Clark trat nach einem großen Kakerlaken, der sich unbedingt an ihm festklammern wollte. Herr Jesus! Er sah durch das Plastikfenster vor seinen Augen nach oben, und dort schillerte die hohe weiße Decke von den hellbraun glänzenden Insektenleibern, die alle zitterten, und ein paar fielen vor seinen Augen herunter.

Ricky klopfte ihm begütigend auf die Schulter. »Morgen sammelt das Staubsaugerteam die Leichen auf. Gehen wir.«

Sie gingen als nächstes in eine Wohnung, wo schon gesaugt wurde und jede Unterhaltung unmöglich war. Sidney Clark sah voll Ekel, wie mit den vielen hundert reglosen, krustigen Leibern auch noch lebende Kakerlaken aufgesaugt wurden. »...verbrannt!« brüllte Ricky in Mr. Clarks Ohr. »Unten!« Er zeigte hinunter, vielleicht zu den Heizöfen im Keller.  - Patricia Highsmith, Geschichten von natürlichen und unnatürlichen Katastrophen. Zürich  1990

 

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