pritzen   »Ich will nicht, hören Sie?« schrie sie. »Nein, das nicht! Ich will nicht. Es ist nicht wahr. Das ist...«

»Jaja.«

Aber daß er sie mit ihrem Namen anrief, beruhigte sie nicht. Sie war wie von Sinnen, und mit dem gleichen Ungestüm, mit dem sie die Flasche auf den Boden geschleudert hatte, bückte sie sich, hob etwas auf und schrie:

»Nicht Hagenau. Es ist nicht wahrl Sylvia hat nicht...«

In seiner ganzen Laufbahn hatte Maigret noch nie einem so widerlichen Schauspiel beigewohnt. Sie hielt eine Glasscherbe in der Hand, und während sie weiter sprach, schnitt sie sich die Pulsader auf.

Die Augen traten ihr aus den Höhlen. Sie wirkte wie eine Irre.

»Hagenau. Ich... Nicht Sylvia!«

Das Blut spritzte in dem Augenblick heraus, da es Maigret endlich gelang, sie an beiden Armen zu packen. Es spritzte ihm auf die Hand und auf den Schlips. Ein paar Sekunden lang blickte Jaja bestürzt und fassungslos auf das rote Blut, das aus dem Handgelenk floß. Dann sackte sie zusammen. Maigret versuchte sie festzuhalten, ließ sie auf den Boden gleiten und bemühte sich, mit dem Finger die Ader zuzudrücken. Er brauchte etwas zum Abbinden. Er blickte verzweifelt um sich und entdeckte ein elektrisches Bügeleisen mit einer Schnur daran. Er riß die Schnur heraus, wickelte sie um das Handgelenk von Jaja, die sich nicht mehr rührte, und band sie, so fest er konnte. Darauf eilte er in die warme Nachtluft hinaus und lief zu der besser beleuchteten Straße, die zweihundert Meter weiter begann.

Von dort sah man das strahlend helle Kasino, die Autos, die Chauffeure, die in Gruppen am Hafen standen, und die Masten der Jachten, die sich kaum bewegten.

An der Straßenkeuzung stand ein Polizist. »Einen Arzt! In die ›Liberty-Bar‹. Schnell.« »Ist das nicht das kleine Lokal, das ...?« »Ja, das kleine Lokal, das ...«, brüllte Maigret ungeduldig. »Um Gottes willen, machen Sie schnell!« - Georges Simenon, Maigret in der Liberty-Bar. München 1975 (zuerst 1932)

Spritzen (2)  Wen die Fasern des Gewebes berührten, was von dem dampfenden blasenwerfenden Blut bespritzt wurde, veränderte sich im Augenblick. Schafherden leckten übergischt an dem Blut. Die Zunge quoll ihnen über die Zähne weg, fiel auf das Gras, sich verbreiternd verdeckend. Die Tiere standen da, zerrten an den fürchterlichen Organen, an denen sie sofort erstickten. Andere zogen glitzernd blökend an den roten Fleischmassen, die ihnen unaufhaltsam aus den Mäulem wuchsen; zugleich schwoll ihnen auch der Gaumen, Rachen, den der Saft berührt hatte. Die dehnten, wölbten sich. Riesenschädel, den ganzen Rumpf in Umfang und Gewicht übertreffend, trugen sie auf den Hälsen, die zu schwach für die Last waren. Die Schafe wurden auf den Boden hingezogen, zappelten mit dem kleinen Anhang ihrer Rümpfe. Rasch kamen eine Anzahl Tiere um, die gierig an dem Blut der Medusen geschluckt hatten und deren Leib Rippen Rückgrat von den anschwellenden Eingeweiden in Stunden zersprengt wurden. Bei Hamburg erfolgte das erste große Verderben der Menschen. Siedler und Einwohner der Stadtschaft wurden betroffen. In die Häuser hinein wurden im Bogen das Blut und der Schleim der verendenden Urtiere gesprenkelt. Menschen, die am Kopf oder den Gliedmaßen begossen wurden, verloren im Augenblick die Besinnung. Ihre wuchernden Organe erdrosselten sie selbst. In den Zimmern wurden Menschen, denen eine Hand bespritzt war, von den schweren wuchernden Fleischmassen aufgesogen; die Hand die Finger füllten den ganzen Raum, kleiner kleiner schumpften Arme Beine der Rumpf dahinter. Das Herz schlug nicht mehr, die Menschen lagen weiß tot, nicht größer als eine Faust, manchmal wie ein Apfel, ein Karton einlaufend unter dem dunstenden Riesenorgan, dessen Haare wie Spieße aufrecht standen, die an den starren Wänden geknickt wurden.

Die tolle Szene in der kleinen Bauernsiedlung, wo eine Bäuerin den Hahn gefaßt hatte, um ihn in den Stall zu tragen. Der Kopf des krähenden Vogels, seine bespritzten Füße jäh anwachsend machten sich nicht los von den Armen und der Schürze der Frau. Die Frau wurde von der Last hingeworfen; die Krallen des Vogels durchwuchsen die Arme der schreienden gellenden schlagenden bald ohnmächtigen. Das Tier lag auf dem Weib, wuchs auf ihm, über Menschengröße. Der Kopf und die Füße wuchsen. Der Rumpf aber hatte noch Leben, so dürftig er auch war; denn die Füße waren in das starke fette Weib verwurzelt. Aus der sogen die Organe ihre Stoffe. Das Weib rann in ihren Kleidern ein. War längst tot, ihr Kopf schon hinter ihrem Halskragen, unter dem Brustausschnitt verschwunden. Leere Hüllen der Ärmel; der Kalk der Knochen wurde aufgesogen. Nach langen Stunden erlosch an dem Vogel das schreckliche Wachstum. Das Tier war selbst schon tot, von seinen Gliedern aufgezehrt. Man sah Schweinsohren, Ochsenschnauzen durch die Dachsparren ihrer Ställe wachsen; noch kläglich brüllten die, dann verstummten sie. - (gig)

Spritzen (3)

- Jan Luyken: Enthauptung von  Hans Misel, Warthausen 1571, nach "Märtyrerspiegel"

 

Ausscheidung Bewegung

 

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