pringen  Es herrscht eine höchst seltsame Beziehung zwischen dem zeitlich entwickelten Quantenzustand und dem Verhalten der physikalischen Welt, das man tatsächlich beobachtet. Von Zeit zu Zeit — jedesmal, wenn wir finden, daß eine "Messung" stattgefunden hat — müssen wir unseren mühsam entwickelten Quantenzustand aufgeben und dürfen daraus nur verschiedene Wahrscheinlichkeiten dafür berechnen, daß dieser Zustand in den einen oder anderen aus einer Menge neuer möglicher Zustände "springen" wird. Abgesehen von der Seltsamkeit dieser  „Quantensprünge” gilt es die Frage zu entscheiden, wodurch eine physikalische Anordnung denn zu dem Urteil kommen soll, daß tatsächlich eine ,,Messung“ durchgeführt worden ist. Der Meßapparat ist doch wohl vermutlich selbst aus Quantenteilchen zusammengesetzt und sollte sich demnach ebenfalls gemäß der deterministischen Schrödinger-Gleichung entwickeln. Ist die Anwesenheit eines bewußten Wesens nötig, damit eine "Messung" wirklich stattfinden kann? Ich glaube, dieser Ansicht würde nur eine kleine Minderheit unter den Quantenphysikern zustimmen. Vermutlich sind ja auch die menschlichen Beobachter selbst aus winzigen Quantenbestandteilen aufgebaut!

Im Laufe dieses Kapitels werden wir ein paar seltsame Konsequenzen aus diesem "Springen" des Quantenzustands untersuchen — zum Beispiel, wie eine "Messung" an einem Ort anscheinend einen "Sprung" in einem weit entfernten Gebiet verursachen kann! Zuvor werden wir auf ein anderes eigenartiges Phänomen stoßen: Manchmal löschen zwei alternative Bahnen, die ein Objekt ohne weiteres einschlagen kann, wenn jede separat durchlaufen wird, einander völlig aus, sobald beide Bahnen zusammen erlaubt sind — so daß auf einmal keine von beiden durchlaufen werden kann! Wir werden auch genauer untersuchen, wie Quantenzustände tatsächlich beschrieben werden. Wir werden sehen, wie sehr diese Beschreibungen sich von den entsprechenden klassischen unterscheiden.

Zum Beispiel können Teilchen anscheinend an zwei Orten zugleich auftreten! - Aus: Roger Penrose, Computerdenken. Des Kaisers neue Kleider oder Die Debatte um Künstliche Intelligenz, Bewußtsein und die Gesetze der Physik. Heidelberg 1991, zuerst 1989

Springen (2)  Der Mississippi  ist bemerkenswert, er neigt er dazu, erstaunliche Sprünge auszuführen, indem er sich durch schmale Landzungen zwängt und so einen geraderen und kürzeren Lauf nimmt. Mehr als einmal hat er sich selbst mit einem einzigen Satz um dreißig Meilen verkürzt.

Diese Abkürzungen haben seltsame Wirkungen gezeigt: Mehrere Städte am Fluß fanden sich in ländliche Bezirke versetzt, und Sandbarren und Wälder lagen plötzlich zwischen ihnen und dem Fluß. Die Stadt Delta befand sich drei Meilen unterhalb von Vicksburg. Ein Durchbruch in letzter Zeit änderte ihre Lage vollkommen, und Delta liegt jetzt zwei Meilen oberhalb von Vicksburg. Beide Flußstädte wurden durch diese Abkürzung »aufs Land« versetzt. Ein neuer Stromlauf richtet ein Durcheinander in bezug auf Grenzen und Gerichtsbarkeit an: da lebt z. B. ein Mann heute im Staate Mississippi, abends fällt es dem Fluß ein, sich zu verkürzen und am nächsten Morgen findet sich der Mann mit seinem Landbesitz auf der anderen Flußseite innerhalb der Grenzen des Staates Louisiana und dessen Gesetzen unterworfen! Passierte so etwas früher am oberen Lauf des Flusses, so konnte ein Sklave von Missouri nach Illinois versetzt und dadurch ein freier Mann werden. - Mark Twain, Leben auf dem Mississippi. Frankfurt am Main 1985 (it 836, zuerst 1883)

Springen (3)

"Shadow of a Doubt"

- François Schuiten

Springen (über die Klinge)  Das erste Schiff, dem sie begegneten, war holländischer Herkunft, vom Schipper Mitchel befehligt. Kid hißte die französische Flagge und begann die Jagd. Das Schiff zeigte sogleich die französischen Farben, worauf der Freibeuter französisch anrief. Schipper Mitchel hatte einen Franzosen an Bord, der darauf antwortete. Kid fragte ihn, ob er einen Geleitbrief habe. Der Franzose bejahte. »Bei Gott,« versetzte Kid, »kraft Euers Geleitbriefs sollt ihr die oberste Stelle auf unserm Schiff einnehmen.« Und er ließ ihn unverzüglich an der Rahe aufknüpfen. Dann ließ er die Holländer kommen, einen nach dem andern. Er fragte sie aus, stellte sich, als hatte er keine Ahnung vom Flämischen, und befahl bei jedem Gefangenen: »Ein Franzose — das Brett!« Man befestigte am Vorderteil des Schiffes ein hinausragendes Brett. Alle Holländer liefen darüber, nackt, dem Hochbootsmann und seiner Messerspitze ausgesetzt, und mußten ins Meer springen. - Marcel Schwob, Der Roman der zweiundzwanzig Lebensläufe. Nördlingen 1986 (Krater Bibliothek, zuerst 1896)

Springen (5)

Springen (6)  Seine Frau hatte ihm einen weißen Pyjama angezogen, und das Bett war wieder ordentlich; es duftete nach Kölnischwasser, und der Bebe warf Manuelita einen bewundernden Blick zu, denn sicher war sie es, die daran gedacht hatte. Severo machte den ersten Sprung und landete auf der Bettkante; er sah seine Schwester an, die ihn mit einem leicht blöden, gekünstelten Lächeln aufmunterte. Was sollte das, dachte ich, der ich für Ehrlichkeit bin; und was konnte Severo schon daran liegen, daß seine Schwester ihn aufmunterte oder nicht. Die Sprünge erfolgten in regelmäßigen Abständen: auf der Bettkante sitzend, am Kopfende hockend, auf dem gegenüberliegenden Bettrand kniend, mitten im Bett stehend, aufrecht auf dem Boden zwischen Ignacio und dem Bebe, in der Hocke zwischen seiner Frau und seinem Bruder, in der Ecke neben der Tür kauernd, mitten im Zimmer stehend, immer genau in die Lücke zwischen zwei Freunde oder Verwandte springend, wobei niemand sich bewegte, nur die Blicke ihn verfolgten; auf dem Bettrand sitzend, am Kopfende stehend, mitten auf dem Bett kauernd, auf der Bettkante kniend, aufrecht zwischen Ignacio und Manuelita, auf den Knien zwischen seinem jüngsten Sohn und mir, am Fußende des Bettes hockend. Als Severos Frau das Ende der Phase verkündete, begannen alle gleichzeitig zu reden und beglückwünschten Severo, der wie abwesend war; ich weiß nicht mehr, wer ihn zum Bete zurückführte.  - Julio Cortázar, Die Phasen von Severo. In: J. C. , Beleuchtungswechsel. Ertählungen Bd. 3  Frankfurt am Main 1998
 
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