(kjw)
Sprichwörter (2) „Meinen Namen kann ich schon unterschreiben", sagte Sancho; »denn als ich Einnehmer in meinem Dorfe war, lernte ich ein paar Buchstaben malen, wie man sie auf Warenballen macht, und die Leute sagten, die bedeuteten meinen Namen. Außerdem kann ich tun, als hätte ich die Gicht an der rechten Hand, und einen andern für mich unterzeichnen lassen; es gibt für alles ein Kraut, nur nicht für den Tod. Und wenn ich einmal den Befehl und den Stab in Händen habe, kann ich tun, was mir gut dünkt; zudem, wenn einer den Schultheiß zum Vater hat... Und wenn ich Statthalter bin, was doch mehr als Schultheiß ist, da sollen sie mir nur kommen, sie sollen schon sehen! Oder sie sollen mich einmal schief ansehen und mir nachreden! Aber, aber, da gehen sie nach Wolle aus und kommen geschoren nach Haus. Und wen Gott liebhat, dem merkt es alle Welt an; und des Reichen dumme Redensarten gelten in der Welt für Sprüche Salo-monis; und da ich reich sein werde, wenn ich Statthalter bin, und dazu freigebig sein will, so wird kein Fehler an mir zu sehen sein. Nein, macht euch nur zu Honig, so fressen euch die Fliegen; du giltst soviel, wie du hast, sagte meine Großmutter, und wer ein Rittergut hat und adlig Geschlecht, denk nicht, daß einer an dem dich rächt."
»O daß dich Gott verdamme, Sancho!" fiel hier Don Quijote ein, „daß sechzigtausend Teufel dich und deine Sprichwörter holten! Schon seit einer Stunde häufst du eins aufs andre und trichterst sie mir ein wie Wasser auf der Folter. Ich versichere dir, diese Sprichwörter bringen dich noch eines Tages an den Galgen; um ihretwillen nehmen dir deine Untertanen die Statthalterschaft, oder es bilden sich Bündnisse unter den Ortschaften gegen dich. Sage mir nur, wo du sie her hast, du unwissender Mensch? Oder wie du sie anwendest, du Einfaltspinsel? Ich, wenn ich nur eines beibringen und richtig anwenden will, ich schwitze und mühe mich ab, als wäre ich ein Schatzgräber."
„Um Gottes willen, lieber Herr und Gebieter", antwortete Sancho, „wie regt sich Euer Gnaden doch über gar geringe Dinge auf! Was, zum Teufel, macht es Euch aus, wenn ich mein Eigentum ausnütze? Ich habe ja kein andres und weiter kein Vermögen als Sprichwörter und immer wieder Sprichwörter. Und jetzt eben kommen mir ihrer vier in den Sinn, die aufs Härchen hierhergehören wie Birnen in den Obstkorb; aber ich gebe sie nicht her, denn das Schweigen zur rechten Zeit ist ein großer Heiliger."
„Dieser Heilige bist du nicht", sagte Don Quijote, „denn das Schweigen zu rechter Zeit ist deine Sache nicht, wohl aber das Reden und immerfort Reden zu unrechter Zeit. Aber trotzdem möchte ich wohl wissen, welche vier Sprichwörter dir jetzt in den Sinn gekommen sind, die hierher passen sollten; ich wenigstens, der ich ein gutes Gedächtnis habe, suche überall darin herum, und kein passendes Sprichwort will mir einfallen."
„Was kann es für bessere geben", sagte Sancho, „als die: Man soll
den Daumen nie zwischen die Backenzähne stecken, und: Auf ein ,Pack dich
aus meinem Hause!' und ,Was willst du mit meinem Weib?' läßt sich nichts
antworten; und: Ob Krug wider Stein oder Stein wider Krug, der Krug ist
der Verlierer. Alle diese passen aufs Härchen. Mit dem Statthalter soll
niemand anbinden, überhaupt mit keinem, der ihm zu befehlen hat, denn er
wird den Schaden davon haben, gerade wie der, der den Finger zwischen die
Backenzähne hinten steckt; und wenn sie auch nicht hinten sind, falls es
nur Backenzähne sind, 's ist kein Unterschied. Und gegen das, was
der Statthalter sagt, darauf läßt sich nichts antworten, so wenig wie auf
das ,Pack dich!' und 'mein Weib laß ungeschoren!' Und was das mit dem Stein
wider Krug betrifft, das kann ja ein Blinder sehen. Demnach muß notwendig,
wer den Splitter im fremden Auge sieht, den Balken im seinigen sehen, damit
man nicht von ihm sagt: Eine Gestorbene ist arg erschrocken, als sie eine
Geköpfte zu sehen bekam. Auch weiß Euer Gnaden ja: Der Dummkopf
weiß in seinem Hause mehr als der gescheite Kopf im fremden." -
(
don
)
Sprichwörter (3) Müßiggang, pflegt man zu sagen, ist aller Laster Anfang. Um dem Laster zu wehren, empfiehlt man die Arbeit. Es ist indessen leicht ersichtlich, dass die ganze Betrachtung von sehr plebejischer Extraktion ist. Müßiggang als solcher ist keineswegs des Lasters Anfang, im Gegenteil, er ist ein wahrhaft göttliches Leben, wenn man sich nicht langweilt. Freilich, Müßiggang kann den Anlass geben, dass man sein Vermögen verliert usw., doch die adlige Natur fürchtet dergleichen nicht, wohl aber die Langeweile. Die olympischen Götter langweilten sich nicht; sie lebten glücklich in glücklichem Müßiggang. Eine weibliche Schönheit, die weder näht noch spinnt noch bügelt noch liest noch musiziert, ist glücklich im Müßiggang; denn sie langweilt sich nicht, Müßiggang ist also so wenig aller Laster Anfang, dass er vielmehr das wahre Gute ist.
Es gibt eine unermüdliche Tätigkeit, die einen Menschen aus der Welt
des Geistes ausschließt und ihn in eine Klasse mit den Tieren setzt, die
instinktiv immer in Bewegung sein müssen. Es gibt
Menschen, die eine außerordentliche Gabe besitzen, alles in ein Geschäft
zu verwandeln, deren ganzes Leben ein Geschäft ist, die sich verlieben
und heiraten, einen Witz anhören und ein Kunststück bewundern mit dem gleichen
Geschäftseifer, mit dem sie im Kontor arbeiten. Das lateinische Sprichwort
otium est pulvinar diaboli
(Muße ist der Polstersitz des Teufels) ist durchaus zutreffend; aber der
Teufel hat gar keine Zeit, seinen Kopf auf dieses Kissen zu legen, wenn
man sich nicht langweilt. -
Kierkegaard, Entweder-Oder
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