prache, herrschende
- Sie sagen, ein Schriftsteller soll Gedanken äußern, für die er
gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Was wäre damit
erreicht, Ihrer Meinung nach?
- Was damit erreicht wäre? der Chef schüttelte den Kopf und sah wirklich ratlos aus. Sie haben keine hohe Meinung von der Literatur! Was denken Sie, was wir mit der Literatur alles erreichen könnten? Sie würden nur staunen, wenn Sie das wüßten ...
Es war merkwürdig, daß W. sich jedesmal restlos
ausgehöhlt fühlte, wenn er einen solchen Sermon über sich hatte ergehen
lassen [und noch einmal zusätzlich, wenn er sich in Stunden der
Beschäftigungslos igkeit diese Reden in die Gedanken zurückrief). Die
Wörter waren auf ihn eingeströmt, schienen durch alle Öffnungen in ihn
einzudringen und füllten ihn aus wie Sand... in seinem Innern aber
zeigte sich im Nu, wie verbraucht all diese Gedanken waren, wie weit sie
sich entfernt hatten von jeder dem Leben entsprungenen Sprache: es
waren Floskeln, tausendfach durch die Gehirnmühlen gedrehte
Gemeinplätze, bestenfalls waren sie noch originell formuliert. Und darin
glichen sich die Redereien Feuerbachs und des Chefs, auch wenn sich
ihre Aussagen konträr zueinander stellten: im Grunde sagten beide in
beleidigend öder Verdrehung dasselbe. - W. hatte danach, wenn er sich
die Erinnerung eines dieser Referate durch den Kopf hatte laufen lassen,
das allerstärkste Bedürfnis nach einfachen, ja primitiven Sätzen, die
nichts waren als bloßes mitmenschliches Gespräch, die nur - ohne jede
echauffierte Rhetorik - der konkreten, kunstlosen Verständigung dienten:
er stand erneut vor den lampenhellen Parterrefenstern von früher und
war süchtig nach banalen Äußerungen, und dachte erneut an den Kerrisatz
des Chefs: Man sieht am besten aus dem Dunkeln ins Licht! - -
(ich)
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