pottvogel   Viel Geheimnisvolles und ... Schreckliches gibt es in der Natur ..., überlegte Waksin und schlüpfte unter die Decke. Schrecklich sind nicht die Toten, schrecklich ist dieses Unbekannte ...

Es schlug ein Uhr nachts. Waksin drehte sich auf die andere Seite und schaute unter der Decke auf das blaue Flämmchen des Lämpchens vor dem Heiligenbilde. Die Flamme flimmerte und erleuchtete nur schwach den Heiligenschrein und das große Porträt des Onkels Klawdij Mironytsch, das gegenüber dem Bett hing.

Wie, wenn in diesem Zwielicht plötzlich das Gespenst des Onkels erscheinen würde? Dies schoß Waksin durch den Kopf. - Nein, das ist ja undenkbar!

Gespenster sind ein Vorurteil, eine Frucht unreifer Köpfe; desungeachtet aber zog Waksin die Decke trotzdem über den Kopf und kniff die Augen fester zu. Durch seine Einbildung glitt der Leichnam, der sich im Grabe umgedreht, es drängten sich die Bildnisse der verstorbenen Schwiegermutter sowie eines Kameraden, der sich erhängt, und eines Mädchens, das sich ertränkt hatte ... Waksin gab sich Mühe, die düsteren Gedanken aus seinem Kopf zu verscheuchen, jedoch je energischer er sie fortjagte, desto deutlicher wurden die Bilder und desto schreckhafter die Gedanken. Er begann Angst zu kriegen.

Weiß der Teufel, was das ist ... Da fürchtet man sich wie ein Kind... Einfach dumm!

»Tschick ... tschick... tschick«, tickte hinter der Wand eine Uhr. In der Dorfkirche auf dem Friedhof begann der Wächter die Glocke läuten zu lassen. Der Ton war langsam und herzzerreißend, er peinigte die Seele ... Kalte Schauer liefen Waksin über Nacken und Rücken. Ihm war, als atme jemand schwer über seinem Haupte, ganz so, als wenn der Onkel aus dem Rahmen getreten wäre und sich über seinen Neffen beugte ... Waksins Angst wuchs ins Unterträgliche. Vor Grauen biß er die Zähne aufeinander und hielt den Atem an. Und als dann schließlich ein Maikäfer durch das offene Fenster flog und über dem Bett zu summen begann, hielt er es nicht länger aus und riß verzweifelt an der Klingelschnur.

»Demetrij Ossipytsch, was wollen Sie?« Nach einer Minute bereits ertönte hinter der Tür die Stimme der Gouvernante.

»Ach, Sie sind das, Rosalie Karlowna.« Waksin freute sich. »Warum geben Sie sich selber die Mühe; Gawrila hätte ja ...«

»Sie selb hat Chawrila nach Stadt gelassen, Glafira aber ist abends wo weggegangen ... is niemand zuhaus ... Was wollen Sie doch?«

»Ja, Mütterchen, ich wollte eigentlich nur sagen ... Sagen wollte ich ... Kommen Sie doch herein, genieren Sie sich nicht! Bei mir ist es dunkel...«

Die dicke rotbackige Rosalie Karlowna trat ins Schlafzimmer und blieb in erwartungsvoller Pose stehen.

»Setzen Sie sich, Mütterchen ... Sehen Sie mal, die Sache ist die ...« Wonach könnte ich sie bloß fragen; überlegte Waksin, zum Porträt des Onkels hinüberschielend, und empfand, wie seine Seele nach und nach wieder zur Ruhe kam. »Ich wollte Sie eigentlich nach folgendem fragen ... Wenn morgen der Diener zur Stadt geschickt wird, vergessen Sie  nicht, ihm zu sagen, daß er ... daß er nämlich ... nicht vergessen soll, Zigarettenhülsen zu kaufen. Aber setzen Sie sich doch!«

»Hülsen? Schon gut! Was wollen Sie noch?«

»Ich will... nichts, was ich will, sondern ... Aber so setzen Sie sich doch! Ich werde noch etwas nachdenken ...«

»Es ist für eine Jungfrau unschicklich, in einem Männerzimmer zu stehen ... Ich sehen, Sie, Demetrij Ossipytsch, sind ein Schelm ... ein Spottvogel... Ich verstehen, wegen Hülsen man kein Mensch weckt... Ich verstehen ...«

Rosalie Karlowna drehte sich um und ging hinaus. - (tsch)

 

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