pleen Lord
Byrons ganze Poesie kommt mir vor, wie ein absichtlich
in die Länge gezogener Selbstmord aus Spleen.
Der edle Lord schabt ohne Unterlaß an seiner Kehle, aber mit dem Rücken des
Rasiermessers, anstatt mit der Schneide. -
(
heb
)
Spleen (2)
Quand le ciel bas et lourd pèse comme un couverde |
Wenn tief und schwer der Himmel den Geist, den ächzend von Verdrossenheit geplagten, gleich einem Deckel drückt und ganz den Kreis des Horizonts umfassend uns einen schwarzen Tag herabgießt, trauriger als die Nächte; |
Quand la terre est changée en un cachot humide, |
Wenn die Erde in einen feuchten Kerker verwandelt ist, wo die Hoffnung, gleich einer Fledermaus, mit scheuem Flügel die Mauern entlangstreicht und mit dem Kopf an fauliges Gebälk stößt; |
Quand la pluie étalant ses immenses traînées |
Wenn Regen in ungeheuren Streifen niederstürzt, den Gitterstäben an einem riesigen Gefängnis gleichend, und wenn ein stummes Volk verruchter Spinnen in unsern Hirnen seine Netze auszuspannen naht, |
Des cloches tout à coup sautent avec furie |
Dann plötzlich tanzen Glocken wütend auf und schleudern gen Himmel ein gräßliches Geheul, wie heimatlos verirrte Geister, die eigensinnig ein Gewimmer anstimmen ohne Ende. |
— Et de longs corbillards, sans tambours ni musique, |
— Und lange Leichenwagen, ohne Trommeln und Musik, ziehen in meiner Seele langsam vorbei: die Hoffnung, die besiegte, weint, und grause Angst pflanzt herrisch auf meinem gesenkten Schädel ihre schwarze Fahne auf. |
- Charles Baudelaire,
Die Blumen des Bösen (zuerst 1857). Übs. Friedhelm
Kemp Frankfurt am Main 1966
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