Spirale (2) Man weiß, daß sich die zwischen den Faröer-Inseln und den Lofoten gestauten Wasser im Augenblick der steigenden Flut mit unwiderstehlicher Gewalt überstürzen. Sie bilden einen Strudel, aus dem noch kein Schiff herausgekommen ist.
Von allen Seiten des Horizonts rollen riesige Wogen heran. Sie formen diesen Wirbel, der zu Recht >Nabel des Ozeans< genannt wird und dessen Einzugsgebiet einen Radius von fünfzehn Kilometer aufweist. Nicht nur Schiffe werden in diesen Strudel gesogen, sondern auch Wale und sogar die Eisbären der nördlichen Regionen.
Hierher war der Nautilus - unfreiwillig oder vielleicht freiwillig - von
seinem Kapitän geführt worden. Er beschrieb eine Spirale, die sich mehr und
mehr verengerte. Wie er wurde das noch an seiner Flanke hängende Boot mit atemraubender
Geschwindigkeit fortgerissen. Ich spürte es. Ich empfand diesen Schwindel,
wie er sich bei fortgesetzter Kreiselbewegung einstellt. Wir waren von Schrecken
ergriffen, von höchstem Entsetzen, das Blut stockte uns, kalter Schweiß brach
uns aus allen Poren wie beim Todeskampf. Und welch ein Lärm um unser zerbrechliches
Boot! Welches Tosen, welches Brausen, vom Echo meilenweit getragen! Welches
Krachen, wenn sich die Wasser auf den spitzen Felsen des Grundes brachen, dort,
wo die härtesten Körper zerschmettert wurden und Baumstämme zersplittern und
zu Streichhölzern werden! - Jules Verne, Zwanzigtausend
Meilen unter Meer. Zürich 1976 (zuerst 1870)
- Anaïs Nin, Winter of Artifice, nach
(
ray
)
Spirale (4) Es soll daran
erinnert werden, wie das begrifflich konstruierte Vergleichsbild der Schraubenlinie
— und zwar als flachgewundene Spirale bei langsamem, als steilgewundene Korkzieherkurve
bei schnellem Vorwärtsschreiten — sogar körperlich zum Vorschein kommt, wo äußere
Richtkräfte möglichst wenig hemmend eingreifen. Schraubig ist die Verbindungslinie
der Fußpunkte an Pflanzen- und Polypenstämmen entspringender (periodisch entstehender)
Zweige und Knospen; spiralig verläuft hemmungsloses Wachstum, so unabgenützter
Zähne, Schnäbel, Klauen, Haare, Federn, Ranken; im Kreise wenigstens — aufzufassen
als Windung, der Raumhindernisse nicht gestatten, zur Spirale auszuwachsen —
bewegt sich der Tanz, als motorische Lustbezeigung jenen morphologischen Luxusbildungen
vergleichbar; im Kreise rennt aber auch der Drehsüchtige beim Fortfall innerer,
der Verirrte beim Fortfall äußerer, regelnder Orientierungsempfindungen. Könnte
der Tänzer wie der Verirrte — dieser wie jener ein
„Verdrehter", „Verstiegener" — fliegen, er
schwebte in Spiralwindungen zu höheren Sphären empor gleich dem „kreisenden",
seine Schraubenlinien beschreibenden Aar. - Paul Kammerer, Das Gesetz der Serie. Eine Lehre von den Wiederholungen
im Leben und im Weltgeschehen. Stuttgart und Berlin 1919
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