Spion, italienischer  Der jüngste Witz, den man sich in italienischen Spionenkreisen erzählte, ging um einen Engländer, der seinem italienischen Freund Hörner aufsetzte. Dieser Ehemann kam eines Nachts nach Hause, wo er das treulose Paar in flagranti auf dem Bett ertappte. Außer sich vor Wut zog er seine Pistole und war drauf und dran, Rache zu nehmen, als ihm der Engländer beschwörend die Hände entgegenstreckte: »Denk doch einmal nach, mein Lieber«, sagte er besänftigend, »wir unteren Dienstgrade dürfen uns doch nicht zerstreiten. Überlegen Sie doch, welche Auswirkungen das auf die Viererallianz haben kann.«

Autor dieser Parabel war ein gewisser Ferrante, ein Absinthtrinker und Berufsentjungferer. Er versuchte gerade, sich einen Bart wachsen zu lassen. Er haßte die Politik. Wie ein paar tausend andere junge Männer in Florenz stellte er gern den Neo-Machia-vellisten heraus. Er betrachtete die Dinge aus der Ferne; für ihn gab es nur zwei feststehende Tatsachen: a) die Beamten des Außenministeriums waren unheilbar korrupt und allesamt Schwachköpfe, und b) irgend jemand müßte Umberto I. umbringen. Ferrante beschäftigte sich seit sechs Monaten mit dem Venezuela-Problem; allmählich erkannte er den einzigen Ausweg - Selbstmord.

An diesem Abend schlenderte er um das Hauptquartier der Geheimpolizei; er hatte einen kleinen Tintenfisch in der Hand und suchte nach einem Ort, wo er ihn sich zubereiten könnte. Er hatte ihn gerade auf dem Markt gekauft, er sollte sein Abendbrot werden. Der Mittelpunkt aller Spionagetätigkeit in Florenz war die zweite Etage einer Fabrik, in der Musikinstrumente für die Liebhaber von Renaissance und Mittelalter hergestellt wurden. Offiziell geleitet wurde sie von einem Österreicher namens Vogt, der seine Tage damit verbrachte, in mühevoller Arbeit Rebecs, Schalmeien und Theorben zusammenzubauen; nachts spionierte er. In dem legalen und das Licht des Tages nicht scheuenden Teil seines Lebens beschäftigte er als Mitarbeiter einen Neger namens Gascoigne, der von Zeit zu Zeit seine Freunde mitbrachte, um mit ihnen die Instrumente auszuprobieren, und seine Mutter, eine ururalte, hin und her watschelnde Frau, die sich witzigerweise einbildete, als junges Mädchen in eine Affäre mit Palestrina verwickelt gewesen zu sein. Unentwegt überschwemmte sie Besucher mit stolzen Erinnerungen an »Giovannino«, meistens recht farbig ausgemalte Anklänge an die sexuellen Exzentrizitäten des Komponisten.  - (v)

 

Spion Italiener

 

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