pielmann Eine Harfenspielerin mit widerlich starrenden Augen. Ein alter invalider Stelzfuß, der auf einem entsetzlichen, offenbar von ihm selbst verfertigten Instrumente, halb Hackbrett und halb Drehorgel, die Schmerzen seiner Verwundung dem allgemeinen Mitleid auf eine analoge Weise empfindbar machen wollte. Ein lahmer, verwachsener Knabe, er und seine Violine einen einzigen ununterscheidbaren Knäuel bildend, der endlos fortrollende Walzer mit all der hektischen Heftigkeit seiner verbildeten Brust herabspielte.
Endlich — und er zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich — ein
alter, leicht siebzigjähriger Mann in einem fadenscheinigen, aber nicht unreinlichen
Moltonüberrock mit lächelnder, sich selbst Beifall gebender Miene. Barhäuptig
und kahlköpfig stand er da, nach Art dieser Leute, den Hut als Sammelbüchse
vor sich auf dem Boden, und so bearbeitete er eine alte vielzersprungene Violine,
wobei er den. Takt nicht nur durch Aufheben und Niedersetzen des Fußes, sondern
zugleich durch übereinstimmende Bewegung des ganzen gebückten Körpers markierte.
Aber all diese Bemühung, Einheit in seine Leistung zu bringen, war fruchtlos,
denn was er spielte, schien eine unzusammenhängende Folge von Tönen ohne Zeitmaß
und Melodie. Dabei war er ganz in sein Werk vertieft: die Lippen zuckten, die
Augen waren starr auf das vor ihm befindliche Notenblatt gerichtet — ja wahrhaftig
Notenblatt! Denn indes alle andern, ungleich mehr zu Dank spielenden Musiker
sich auf ihr Gedächtnis verließen, hatte der alte Mann mitten in dem Gewühle
ein kleines, leicht tragbares Pult vor sich hingestellt mit schmutzigen, zergriffenen
Noten, die das in schönster Ordnung enthalten mochten, was er so außer allem
Zusammenhange zu hören gab. Gerade das Ungewöhnliche dieser Ausrüstung hatte
meine Aufmerksamkeit auf ihn gezogen, so wie es auch die Heiterkeit des vorüberwogenden
Haufens erregte, der ihn auslachte und den zum Sammeln hingestellten Hut des
alten Mannes leer ließ, indes das übrige Orchester ganze Kupferminen einsackte.
Ich war, um das Original ungestört zu betrachten, in einiger Entfernung auf
den Seitenabhang des Dammes getreten. Er spielte noch eine Weile fort. Endlich
hielt er ein, blickte, wie aus einer langen Abwesenheit zu sich gekommen, nach
dem Firmament, das schon die Spuren des nahenden Abends zu zeigen anfing, darauf
abwärts in seinen Hut, fand ihn leer, setzte ihn mit ungetrübter Heiterkeit
auf, steckte den Geigenbogen zwischen die Saiten; »Sunt certi denique fines«,
sagte er, ergriff sein Notenpult und arbeitete sich mühsam durch die dem Feste
zuströmende Menge in entgegengesetzter Richtung, als einer, der heimkehrt. -
Franz Grillparzer, Der arme Spielmann.
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