piegelung
Sie antwortete ihnen: ›Nein, ich muß übers Meer fahren. Denn ihr
müßt wissen, liebe Tanten, daß es der reine Unsinn ist,
wenn die Gelehrten uns erzählen, das Meer habe einen
Grund. Das Gegenteil ist richtig: Das Wasser, welches das edelste der Elemente
ist, geht natürlich durch die ganze Erdkugel hindurch, so daß unser Planet in
Wirklichkeit im Äther schwebt, wie eine Seifenblase.
Und dort, auf der anderen Halbkugel, segelt ein Schiff, mit dem ich Fahrt halten
muß. Wir zwei sind wie Spiegelungen voneinander, in dem tiefen Meer, und das
Schiff, von dem ich spreche, ist immer genau unter meinem Schiff, auf der gegenüberliegenden
Seite der Erde. Habt ihr nie einen großen Fisch unter einem Boot schwimmen und
ihm wie ein tiefblauer Schatten im Wasser folgen sehen? So bewegt sich jenes
Schiff, wie der Schatten meines Schiffes, und ich
ziehe es hin und her, gemäß dem Kurs, den ich steuere, wie der Mond die Gezeiten
durch die gesamte Masse des Erdballs hindurch zieht. Wenn ich aufhörte zu fahren,
was würde dann aus den armen Matrosen werden, die ihr Brot in der Handelsmarine
verdienen? Aber ich werde euch jetzt ein Geheimnis anvertrauen, sagte sie. >Einst
wird mein Schiff untergehen, zum Mittelpunkt der
Erde hinab, und zu genau derselben Stunde wird auch das andere Schiff sinken
— denn die Menschen nennen es Sinken, obwohl ich euch versichern kann, daß es
im Meer weder Oben noch Unten gibt -, und dort, in der Mitte der Welt, werden
wir zwei zusammenkommen.‹ - Tania Blixen, Wintergeschichten. Reinbek
bei Hamburg 1989
|
||
|
||