Speisenfolge   Einem scharfsinnigen Kalkül der Götter zufolge bin ich Mittelmeerländer und Italiener gleich vielen anderen, die es - zugegebenermaßen - nicht verdienen. Ich will es nicht leugnen, an meinem Vaterland liebe ich vielleicht mehr als die intakten Grenzen und die kontinuierliche Mißregierung die paste, die einfachen oder phantasievollen Nudelgerichte, insbesondere, wenn sie durch Fleischsugo, Kräuter, Knoblauch und peperoncino verfeinert sind. Der Speisenrhythmus, der mir vertraut ist, verlangt eingangs eine königliche pasta, dann abgelebtes Vieh in Hülle und Fülle oder erfinderische Spiele aus Eiern und Gemüsen, fette, butterweiche Rätsel. Es ist ein häuslicher Rhythmus, nach dessen Dafürhalten die Welt ein mit ruhiger Hand zu haltender, eintöniger und sicherer Ort ist; die Nahrung zieht Freuden auch aus der Eintönigkeit, welche uns immer wieder sagt, alles habe seinen Sinn und dort oben, wo der Große Buchhalter am Werke ist, müßten die Rechnungen einfach alle aufgehen. Ich muß hinzufügen, daß ich der Kultur des Weines und des Öles angehöre, die bekanntlich mit den Göttern verwandt sind, was sich weder von Hammelfett noch - meines Wissens - von der Butter sagen läßt. Anderswo ist der Rhythmus anders und erzählt andere Geschichten. Die matten Kraftbrühen, mit denen die nordischen Völker ihre Mahlzeiten einleiten, und ihre blutleeren Suppen verraten eine uralte Unruhe, ein bescheidenes und mißtrauisches Verlangen nach Dasein; und die großen Fleischbrocken mit Soße erzählen von zweifelhaften Schlemmerfreuden; eine Ausnahme bilden die Fische, erlesen auch im eisigen Norden; für meine erdverbundene Zunge schmecken sie jedoch ein bißchen zu sehr nach Intellektuellem, Naseweisem und Ektoplasma.  - Giorgio Manganelli, Lob des Essens. Nach (man)
 
 

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