paßvogel Ich
habe den Herrn Schönbach sehr gemocht, den Sohn des Besitzers des Begräbnisinstituts
am Altstädter Ring, wo ich einmal gewohnt habe, dieses Instituts, das die Särge
im Keller und die Kohle im ersten Stock aufbewahrte, einen jungen Mann, der
Vorsitzender der Prager Spaßvögel war und in der Oktava die Todesanzeige seines
Klassenlehrers drucken ließ, dieser werde zu besagter Stunde an besagtem Tag
eingeäschert, außerdem ließ er auch noch die Todesanzeige des Schuldirektors
drucken, und er schickte die Todesanzeige des Lehrers an alle außer an diesen
selbst, seinem Klassenlehrer wiederum sandte er nur die Todesanzeige des Direktors,
so daß sich zu besagter Stunde am besagten Tag während der Schulferien alle
Lehrer schwarz gekleidet einfanden, die zu ihrem Entsetzen sehen mußten, daß
auch der auftauchte, zu dessen Kremation sie gekommen waren. Genauso überrascht
und entsetzt war der angeblich verstorbene Lehrer, als er seinen Direktor in
Schwarz kommen sah, und so erlebte Prag in allgemeinem Entsetzen eine wunderschöne
Kremation, aufgrund deren der junge Schönbach zwar von der Schule gewiesen wurde,
doch machte ihn diese Tat zum Mitglied der Prager Spaßvögel ... Schön ist die
Geschichte, als der Verein der Spaßvögel einen Umzugslaster der Firma Holan
mietete, sie verkrochen sich im Inneren des Möbelwagens, das Auto blieb auf
dem Wenzelsplatz stehen, sie ließen die Treppe herunter und trugen, immer zu
zweit und zum Erstaunen der Gaffer und der Polizei, dünne Bambusrohre auf den
Schultern in eine Passage, um dann in der Passage zu warten und diese Bambusrohre
eine Stunde später wieder in den Möbelwagen der Firma Holan zurückzutragen,
ihre Knie knickten ein unter der schweren Last, sie schlössen die beiden Türflügel,
befestigten die Treppe an der Kette, fuhren weg und ließen Erstaunen und Erschrockenheit
zurück. Schön ist außerdem die Geschichte, als der Verein der Prager Spaßvögel
auf einem Bänklein den total besoffenen Eduard Bass fand, sie kamen wiederum
mit einem Möbelwagen der Firma Holan und fuhren den Schriftsteller nach Dresden,
wo sie das Bänklein mit dem Trunkenbold in einem Park installierten und zuschauten
und beobachteten, wann Eduard aufwachen würde... Als er erwachte, staunte er
nicht schlecht, daß um ihn herum sächsisch gesprochen wurde, er staunte, daß
er sich, als er aufstand, in einer anderen Stadt wiederfand, er staunte und
dachte, er sei verrückt geworden, bis ihm die Prager Spaßvögel verrieten, was
für einen Scherz sie sich mit ihm erlaubt hatten. Vor lauter Freude haben sich
dann alle besoffen, und als sie im Morgengrauen von der Zechtour zurückkehrten,
machten sie auf dem Bänklein ein Nickerchen. Und wieder wurde der betrunkene
Eduard in den Umzugslaster der Firma Holan verfrachtet und nach Prag gefahren,
mit dem Bänklein, das die Spaßvögel samt Eduard wieder in den Park vor dem Wilsonbahnhof
zurückstellten. Und abermals schauten sie von weitem zu und warteten auf das,
was kommen mußte, Eduard wachte auf, wurde von einem Polizisten gerüttelt und
stammelte auf deutsch etwas davon, daß seine Freunde ihn nach Dresden gebracht
hätten. Dann kam die grüne Minna, doch die Prager Spaßvögel tauchten auf und
erklärten Eduard, er sei in Prag, es sei nur ein Spaß gewesen, Eduard sprach
wieder tschechisch und trottete nach Hause, um dort zu verkünden, daß er noch
auf der Welt sei, die für ihn den allerschönsten Prager Spaß bedeutete... Wird
der Zerfall des Gehirns durch
fixe Ideen verursacht, oder verursacht der Zerfall des Gehirns fixe Ideen? Die
böhmischen Teiche sind Inseln im Meer der Erde...
- (
hra2
)
Spaßvogel (2) »Großer Gott, Mann! Glauben Sie wirklich, in den Tod gehen zu können nur mit Scherzen auf den Lippen? Ist Ihnen bewußt, daß es eine sehr ernste Sache ist?«
»Wie kann mir das bewußt sein? In meinem ganzen Leben bin ich noch nie tot gewesen. Ich habe zwar schon gehört, daß der Tod eine ernste Angelegenheit sein soll, aber niemals von denen, die selbst davon betroffen worden waren.«
Der General schwieg einen Augenblick; der Mann interessierte, ja, amüsierte ihn vielleicht — es war ein Typ, dem er zuvor noch nie begegnet war.
»Der Tod«, sagte er, »ist zumindest ein Verlust - ein Verlust des Glücksgefühls, das wir besitzen, und der Möglichkeit, es zu steigern.«
»Ein Verlust, der uns nie bewußt wird, kann gelassen ertragen und darum ohne Angst erwartet werden. Ihnen wird bereits aufgefallen sein, Herr General, daß bei keinem der Gefallenen, die Sie nach Ihrem soldatischen Gutdünken auf Ihren Weg gestreut haben, Anzeichen des Bereuens festzustellen waren.«
»Wenn auch der Zustand des Todes selbst nicht zu beklagen ist, so doch der Weg dahin - der Akt des Sterbens - er scheint eindeutig jedem gegen den Strich zu gehen, der die Kraft des Fühlens noch nicht ganz verlor.«
»Schmerz ist zweifellos unangenehm. Ich habe ihn niemals ohne mehr oder weniger Unbehagen ertragen. Doch wer am längsten lebt, ist ihm auch am längsten ausgesetzt. Was Sie Sterben nennen, ist nur der letzte Schmerz - mit ihm allerdings kann sich wirklich nichts vergleichen. Nehmen Sie zum Beispiel einmal an, daß ich versuchen würde, zu fliehen. Sie würden den Revolver, den Sie höflicherweise in Ihrem Schoß versteckt halten, hochheben und . . .«
Der General errötete wie ein Mädchen, lachte dann leise, wobei seine prächtigen Zähne sichtbar wurden, beugte leicht seinen stattlichen Kopf und schwieg. Der Spion fuhr fort: »Sie würden schießen, und ich hätte etwas in meinem Bauch, das ich nicht verdauen könnte. Ich würde zwar hinfallen, wäre aber nicht tot. Nach einer halbstündigen Agonie wäre ich schließlich gestorben. Aber in jedem Augenblick während dieser halben Stunde gehörte ich entweder dem Leben oder dem Tode an. Es gibt keinen Übergang.
Wenn ich morgen früh gehängt werde, wird es ebenso
sein; solange ich das Bewußtsein habe, werde ich leben; wenn ich tot bin, dann
ohne Bewußtsein. Die Natur scheint die Angelegenheit ganz in meinem Sinne geregelt
zu haben - so, wie ich sie selbst geregelt hätte. Es ist alles so unkompliziert«,
fügte er mit einem Lächeln hinzu, »daß es kaum lohnt,
überhaupt aufgehängt zu werden.« - Ambrose Bierce: Parker Adderson, Philosoph.
In: A.B., Die Spottdrossel. Zürich 1978 (detebe 106)
Spaßvogel
(3) Einmal, als das Opfertier
bereits am Altare stand, erschien er als Opferschlächter hoch geschürzt, schwang
die Opferaxt hoch in die Luft und schlug - den Opferstecher tot. Bei einem üppigen
Gastmahl brach Caligula plötzlich in lautes Gelächter aus. Die beiden Konsuln,
die neben ihm lagen, fragten ihn sehr zuvorkommend, weshalb er denn lache. Der
Kaiser erwiderte: „Worüber sonst, als daß es nur eines Winkes von mir bedarf,
um Euch allen beiden auf der Stelle die Kehle abschneiden zu lassen?".
Zu seinen verschiedenen Späßen gehörte auch, daß er vor einer Statue des Jupiter
einmal den tragischen Schauspieler Apelles fragte, wer ihm größer scheine. Als
er einen Augenblick mit der Antwort zögerte, ließ Caligula ihn auspeitschen
und lobte dabei von Zeit zu Zeit die Stimme des um Gnade Flehenden, sie sei
selbst beim Wehklagen noch sehr lieblich. Nie küßte er seine Frau oder eine
Geliebte auf den Hals, ohne dabei hinzuzusetzen: „Auch dieser schöne Nacken
wird fallen, sobald ich es befehle." Mitunter prahlte er sogar: „Ich will
von meiner Cäsonia, und wäre es durch die Folter, herausbringen, warum ich sie
so sehr liebe!" - (
sue
)
Spaßvogel (4)
Spaßvogel
(5) Das Maultier war ein Spaßvogel.
Wenn es die Lippen aufstülpte, sah es aus, als habe es soeben einen ausgezeichneten
Witz erzählt und warte nur auf das Lachen der andern, um selbst einzustimmen.
Seine Lippen waren grau, mit einem talergroßen Fleck und weich wie feinste Seidenmousseline.
Studer schenkte dem Tier sogleich sein Vertrauen, und um es günstig zu stimmen,
steckte er ihm drei Stück Zucker ins Maul. Der Esel grinste
... - Friedrich Glauser, Die Fieberkurve. Zürich 1989 (zuerst
1937)
Spaßvogel (6)
JOSEF R. ZUM GEDÄCHTNIS Jener Herr Ja, das ist jenes schöne Haus |
- Ivan Wernisch, nach
(frac)
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