pargel
Von allen Möglichkeiten, das Motiv des Spargels als obszöne
Anspielung einzusetzen (»Veronika, der Spargel wächst...«), gelingt Proust
vielleicht die hübscheste und vielschichtigste: Während der kleine Marcel die
zarten Farben der Stangen bewundert und es ihm scheint, »daß diese himmlischen
Tönungen das Geheimnis von köstlichen Geschöpfen enthüllten, die sich aus Neckerei
in Gemüse verwandelt hatten«, leidet das schwangere und spargelallergische Küchenmädchen
beim Schälen die gleichen Höllenqualen wie bei ihrer Niederkunft: Die gestaltliche
Ähnlichkeit dessen, was sie in der Küche quält, mit
dem, was sie in ihren (von Françoise mißbilligten) »Zustand« gebracht hat, liegt
auf der Hand. Vollends offensichtlich wird diese Assoziationskette, die sich
zwischen der Schönheit des Spargels, die »nichts Irdisches hatte«, und äußerst
irdischen Anzüglichkeiten bewegt, dort, wo Proust - als vermutlich erster
und einziger Autor der abendländischen Literatur - auf die besonderen Qualitäten
des Urins nach Spargelgenuß zu sprechen kommt: Die himmlischen
Spargelgeschöpfe schienen Marcel »nach Art Shakespearescher
Feenkomödien gleichzeitig poetische und derbe Possen aufzuführen, wenn sie sogar
noch mein Nachtgeschirr in ein Duftgefäß umschufen«.
- Ulrike Sprenger, Proust-ABC. Leipzig 1997