- Nikolaus Heidelbach, nach: Der Rabe, Magazin für jede Art
Literatur Nr. 37, Zürich 1993
Soutane (2) «Warum ich die Soutane anbehalte? Darauf kann ich Ihnen nur antworten, daß ich sie nicht freiwillig angezogen habe. Aber Sie kennen die Geschichte vielleicht: Ein Onkel von mir, Priester, Pfarrer an ebendieser Kirche, Wucherer und sehr reich, hinterließ mir seine ganze Habe unter der Bedingung, daß sein Erbe Priester werde. Ich war drei Jahre alt, als er starb. Mit zehn, als ich ins Seminar kam, war ich ein heiliger Aloysius, und mit zweiundzwanzig, als ich es verließ, der Satan in Person. Am liebsten hätte ich alles hingeschmissen, aber da war die Erbschaft, da war meine Mutter. Heute mache ich mir nichts mehr aus dem, was ich geerbt habe, und meine Mutter ist tot. Ich könnte also auf und davon gehen.»
«Aber das Konkordat...»
«Mich würde das Konkordat wegen des Testamentes meines Onkels nicht treffen.
Ich bin unter Zwang Priester geworden, darum würden sie mich laufenlassen, ohne
meine bürgerlichen Rechte zu schmälern... Aber die Sache ist die, daß mir inzwischen
die Soutane bequem geworden ist. Und meine Bequemlichkeit und mein Zynismus
halten einander so vollkommen die Waage, daß mir eine Lebensfülle zuteil wird...»
- Leonardo Sciascia, Tote auf Bestellung (mit zwei anderen
Mafiaromanen). Zürich 1983
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