onnenvogel  Ich schaute um mich. Niemand war da. Jetzt starte ich, sagte ich zu mir. Ich war sicher, daß ich fliegen konnte, die Luft war weich wie eine Daunendecke, und ich war leicht, als ob unsichtbare Nylonfäden mich nach oben zögen, ich fühlte, daß ich mich wie ein Vogel oder ein Flugzeug in der Luft bewegen konnte und zwar ohne den Lärm des letzteren, in vollkommener Ruhe. Ein Nichts würde genügt haben, ein leichtes Abstoßen der Fußspitzen, und mein Flug hätte begonnen, zu den Wiesen und Bäumen der Villa Doria Pamphili, wo sich tagsüber die Käuzchen zurückziehen, die in der Nacht in die Stadt hinunterfliegen. Aber ich war ein Sonnenvogel, und mein Flug würde sich nie mit demjenigen der Käuzchen kreuzen. Ich schaute zu meinem Auto zurück. Ich mußte lachen über seine plumpe Karosserie, die fast am Boden klebte und so sehr dem Gesetz der Schwerkraft unterlag, daß sie sich nicht einmal einen halben Meter vom Boden erheben konnte. Auch über die anderen Autos mußte ich lachen, die nun dichter vorbeifuhren mit ihrem lächerlichen Motorengeräusch und all ihren komplizierten und unnnötigen Mechanismen. Große und kleine Autos glitten regelmäßig über den Asphalt. Es war zum Lachen, wenn man an ihre Motoren, ihre Getriebe und ihre Räder dachte.

Hoch am Himmel flog ein Flugzeug vorbei mit seinem Flugzeuglärm und erfüllte mich mit Schrecken. Der Vergleich stimmte nicht, wie konnte ich dieser phantastischen Maschine gleichen, die mit ihren flammenden Motoren, ihren elektronischen Stromkreisen, ihren mit Hebeln bedeckten Schaltbrettern, ihren automatischen Auslösern, ihrem einziehbaren Fahrgestell und allem andern viele Tonnen Gewicht in der Luft transportierte? Ich schaute auf meine mageren und leeren Hände und Handgelenke, betastete meine Wangen, auf denen während der Nacht der Bart gewachsen war.

Ich stieg vom Mäuerchen hinunter, auf das ich gestiegen war und von dem aus ich zum Flug gestartet wäre.  - Luigi Malerba, Die Schlange. München 1992 (zuerst 1966)