Sonnenregen  Aus fast geschlossenen Augen starrte ich hinauf in den brennend umlaufenden Himmel, wo die Sonne, gerade über mir, ein undeutlicher Kreis von Weißglut war, woraus manchmal Tropfen zu fallen schienen ... und es war, als ob dieser Sonne sich eine gelbe, fast weiße Wolke nahte, die den Rand des grellen Schlunds der Sonne berührte und zu zerrinnen begann.

Regentropfen fielen, ein dampfender gelber Regen aus dem sonnenheißen Himmel, mit einer Nässe, die in den Augen brannte. Der Sonnenregen nahm zu, die Flüssigkeit in der Schlammpfütze stieg an, der Brei, der mir in alle Körperfalten, in alle Poren drang, schloß sich glatt über meinen Oberschenkeln; es regnete stärker, siedende Fluten strömten aus dem Himmel, der beinahe vollständig blau war, der Schlamm stieg höher, heiß und saugend schloß er sich mir über dem hervorgerichteten Geschlecht, kroch mir beklemmend über den Bauch, die Brust herauf, gespannt wartete ich, bis er den Hals erreichte; schon waren meine Arme fest eingeschlossen in der zähen schwarzen Flut, die mir unaufhaltsam unter die Achseln drang und meine Schultern an den Grund bannte, so daß ich unlösbar mit dem Moorboden zu verschmelzen schien. Schon spürte ich Entsetzen erregendes Kitzeln unter dem Kinn und fühle, wie mir die Haarsträhnen in dem Sumpf unter mir festwuchsen, als wollten sie meinen Leib mit der Erde verwurzeln.  - Wolfgang Hilbig, Kommen. In: W.H., Der Schlaf der Gerechten. Frankfurt am Main 2003

 

 

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