onett

Hol den Ständer langsam aus dem Latze,
laß dir mit dem roten Dolche Zeit!
Vorher wirf sie schnell auf die Matratze.
Leg ihr ihren Blätterteig bereit

Und bespringe sie mit einem Satze.
Mit dem Lulatsch kommst du bei ihr weit.
Grabe immer tiefer nach dem Schatze
Zwischen ihren strammen Schenkeln, reit'

Unter dir das heiße Fleisch der Stute.
Lasse ihr vom Safte deiner Rute
Alles warm in die Pastete dringen.

Sorge immer neu für's einzig Gute.
Nimmt sie deinen Pipin in die Schnute,
Laß die Engel ihr im Himmel singen.

  - Karl Krolow, nach: Dein Leib ist mein Gedicht. Deutsche erotische Lyrik aus fünf Jahrhunderten. Hg. Heinz Ludwig Arnold, Frankfurt am Main u.a. 1973

Sonett (2) Es steckte etwas von einem Literaten in Degas, der sich hinlänglich verriet an seinen "Sprüchen", sowie an seinen ziemlich häufigen Zitaten aus Racine oder Saint-Simon.

Bei seinen Bemühungen um das Sonett pflegte er Heredia oder Mallarmé zu Rate zu ziehen, eröffnete ihnen seine Schwierigkeiten, weihte sie ein in Fragen des Gewissens, in die Konflikte des werdenden Gedichts mit dem Dichter. Einmal, so erzählte er mir, wie er mit Mallarmé zusammen bei Berthe Morisot speiste, habe er sich diesem gegenüber beklagt, wie außerordentlich schwer ihm das Dichten falle. "Was für ein Beruf!" rief er aus, "den ganzen Tag habe ich mit einem verwünschten Sonett verloren, ohne auch nur einen Schritt vorwärts zu kommen ... Und dabei fehlt es mir durchaus nicht etwa an den Ideen ... Ich habe Ideen genug ... Ich habe nur zu viele ..."

Und Mallarmé darauf, sanft und tief wie immer: "Aber Degas, macht man Verse denn mit Ideen? ... Nein, mit Wörtern!"  - (deg)

Sonett (3)

Der Hengst vom Parthenon auf seiner Kante kniet,
um kleine Törtchen und einen Tee zu schlecken.
Die Dosenleberwurst verpestet das Gestüt,
und alles kommt und zeigt dir schließlich das Verrecken.

Man läßt dich werden dann zum ekelhaften Schiet,
wonach so fieberhaft die Mäuse blecken.
Nur der und der hat recht, nicht was die Masse riet:
der Bayer und der Schwab zu Tode sich erschrecken!

Der wahre Dichter ist in Sprachen nicht bewandt:
man wittert die Gefahr, denn Reisen ist riskant.
Der Autobus zerquetscht ein wenig das Latein.

Amerika verführt mit Doppelsinn zumal:
mach schon dein Testament, verlaß das Jammertal,
wenn es Europa will - Europa ganz allein.

- Raymon Queneau: Hunderttausend Milliarden Gedichte. Frankfurt/M. 1984

Sonett (4)

Allegorisches Sonett

Amanda, liebstes Kind, du Brustlatz kalter Herzen,
   Der Liebe Feuerzeug, Goldschachtel edler Zier,
   Der Seufzer Blasebalg, des Trauerns Löschpapier,
Sandbüchse meiner Pein und Baumöl meiner Schmerzen,

Du Speise meiner Lust, du Flamme meiner Kerzen,
   Nachtstühlchen meiner Ruh, der Poesie Klistier,
   Des Mundes Alekant, der Augen Lustbrevier,
Der Komplimenten Sitz, du Meisterin der Scherzen,

Der Tugend Quodlibet, Kalender meiner Zeit,
   Du Andachtsfackelchen, du Quell der Fröhlichkeit,
Du tiefer Abgrund du voll tausend guter Morgen,

Der Zungen Honigseim, des Herzens Marzipan,
  Und wie man sonsten dich mein Kind beschreiben kann.
Lichtputze meiner Not und Flederwisch der Sorgen.

- N.N., nach: Von der Eitelkeit der Welt. Barockgedichte. Hg. Herbert Heckmann. Berlin  1994

Sonett (5)

SONETTO DEL CHE FARE E CHE PENSARE

Che fai?  Che pensi?  Ed a chi mai chi parla?
Chi e che cerececè d'augel distinguo,
con che stillii di rivi il vacuo impinguo
del paese che intorno a me s'intarla?

A chi porgo, a quale ago per riattarla
quella logica si cui fili m'estinguo,
a ehe e per chi di nota in nota illinguo
questo ehe non fu canto, eloquio, ciarla?

Che pensi tu, ehe mai non fosti, mai
né pur in segno, in sogno di fantasma
sogno di segno, mah di mah, ehe fai?

Voci d'augei, di rii, di selve, intensi
moti del niente che se a niente plasma,
pensier di non pensier, pensa: che pensi?

SONETT ÜBER WAS?

Was tust du und denkst du? Wer denn antwortet wem?
Sind das die Vögel, die ich mit Geräuschen vertausche,
welches Wasser bring ich in der Leere zum Rauschen
durch hohles Land und ausgehöhlten Lehm?

Zu wem, zu welchem Schneider kann ich noch gehen
mit der Logik, die mich zerreißt, ein Loch, ein Lauschen,
für wen laß ich Ton um Ton die Sprache entstehen
wo nur Gesanglosigkeit ist, Nichtrede, Fauchen?

Du warst nie, so kenn ich von dir nur Niegedachtes
dieses Niewort, das Nie in meinen Träumen,
den Traumort, wer weiß aus wer weiß, Niegemachtes.

Die Stimmen der Vögel, der großen Wälder, der Wasser,
das Nichts bewegt sich, formt aus nichts die Räume,
erdachte Nicht-Gedanken, denk: an was?

 

Gewidmet jeder Art von Siegestaumel.

Anmerkung des Autors

- Andrea Zanzollo, nach (frac)

Sonett (6)


Sonette aus dem Portugiesischen Nr. 6

Geh fort von mir. So werd ich fürderhin
in deinem Schatten stehn. Und niemals mehr
die Schwelle alles dessen, was ich bin,
allein betreten. Niemals wie vorher

verfügen meine Seele. Und die Hand
nicht so wie früher in Gelassenheit
aufheben in das Licht der Sonne, seit
die deine drinnen fehlt. Mag Land um Land

anwachsen zwischen uns, so muss doch dein
Herz in dem meinen bleiben, doppelt schlagend.
Und was ich tu und träume, schließt dich ein:

so sind die Trauben überall im Wein.
Und ruf ich Gott zu mir: Er kommt zu Zwein
und sieht mein Auge Zweier Tränen tragend.

- Elizabeth Barrett Browning, übersetzt aus dem Englischen von Rainer Maria Rilke


Gedicht

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