katgespräch
Halm traute sich schon gar nicht mehr zuzugeben, daß ihm die Skalregeln
nicht so ganz gegenwartig seien. Rainer merkte es und sagte: Geben,
hören, sagen. Wir spielen gern zu viert, daß immer einer etwas zu sich
nehmen kann. Lesüe sagte: So redet er, weil Sie da sind, sonst sagt er:
daß man auch zum Fressen und Sauten kommt. Roy sagte, Rainer solle heute
mal nicht ganz so schnell drauflossaufen, gegen einen Bewußtlosen zu
spielen mache keinen Spaß. Rainer sagte: Jetzt redet das Arschloch schon
wie meine Frau. Also darum geh ich abends nicht aus'm Haus, daß ich mir
das dann von dir a-hört! Leslie sagte, Roy sage das doch bloß aus Geiz,
weil er Angst habe, man trinke mehr, als man mitgebracht habe, Roys
Zweidollarzwanzigtropfen, sagte Rainer, sei für ihn Entziehungshilfe.
Also besser als die Studentenpisse, die du ausschenkst, ist er, sagte
Roy. Und zu Halm: Rainer macht doch immer Studentenpartys bei sich,
jeder Student bringt eine Flasche vom Billigsten, die Hälfte bleibt
übrig, für uns. Aber vorher klaut er im Supermarkt Preisschilder, die
Sechs-dollarlabels klebt er an seine Studentenpisseflaschen. Weil 'n
Preisschild das einzige ist, wovon ihr was versteht, sagte Rainer. Also,
Hochspringer, sagte Roy, kannst du oder kannst du nicht. Ich kann,
sagte Leslie, und zwar ohne mit dem Zucker zu wimpern. Also bitte, zeig
dich, Arschloch, sagte Roy und fing an zu reizen. Selber Arschloch,
sagte Leslie. Halm hatte den Eindruck, daß es für Leslie, wenn er
Arschloch sagen mußte, immer ein bißchen anstrengend war. Und sie
spielten doch schon fünfzehn Jahre miteinander, die Rauhen Brüder. Als
Roy eine Pik-Zehn ausspielte in der Hoffnung, Leslie habe das As, das As
aber bei Halm war, sagte Roy: Man kann nicht wissen, ob die Hühner
pissen. Daß sie scheißen, kann man beweisen. Leslie sagte: Get your act
together you mellowed-out flamboyant halfwit. Roy machte einen Stich und
murmelte dazu grimmig: High jumper poppycock nonsense. Halm verstand
nur, daß das die Sprache der Rauhen Brüder war. Halm hatte verloren. Roy
holte das Papier hervor, auf dem schon die Namen standen, und trug
Plus- und Minuspunkte ein und sagte: I feel plumb good. Halm riß das
nächste Spiel wieder an sich, verlor wieder. Dann gab Leslie, Halm riß
das Spiel an sich, verlor. Dann gab er, holte sich Feines von den
Platten, trank den etwas süßlichen
Weißwein und schaute zu, um möglichst schnell wieder ein
zurechnungsfähiger Skatspieler zu werden. Sobald er wieder dabei war,
spielte er wieder und verlor. Jedesmal rechnete er sich Chancen aus, die
dann keine waren. Immer kam die Farbe, die er nicht brauchen konnte.
Jedesmal spielten die genau die Karte aus, die seinen schwachen Punkt
entblößte. Die spielten, als lägen seine Karten offen vor ihnen. Er
fühlte sich durchschaut. Es ärgerte ihn, so berechenbar zu sein. Je
öfter er verlor, desto wichtiger war es ihm, die Spiele zu machen, also
spielte er immer noch riskanter und verlor noch häufiger. Als Halm
einmal auf 59 kam, sagte Roy: Kurz vor dem A-B noch in d'Hos geschisse,
hat mei Vaddr gsacht. Leslie sagte: Zu Roys schönsten Ausstattungen
gehört seine Scheißhausmetaphorik aus Tübingen. Dann verlor Halm sogar
ein Spiel, obwohl er alle vier ßuben hatte. Alle brüllten vor Lachen.
Roy sagte: Scheiße im Kanonenrohr, das kommt ziemlich häufig vor.
Scheiße auf Paradekissen, oh, war er da hingerissen. Aber das nächste
Spiel verlor Roy und wurde sogar Schneider. Halm wußte leider keinen
Spruch. Zum Glück sagte Rainer so sanft, wie nur er etwas sagen konnte:
In die hohle Hand geschissen, wa. Dann kam der Dackel Umlaut herein,
trug einen Zettel in der Schnauze, ging bei Roy auf die Hinterbeine. Roy
las vor: Umlaut needs feeding. Da hast du ja Glück gehabt, sagte
Leslie. Und, erklärend, zu Halm: Als wir das letzte Mal hier waren,
stand drauf: Sally needs fucking. Aber als ich zurückkam, hab ich sofort
einen Grand Hand heimgebracht, sagte Roy. Weil du in der Übung warst,
mit der Hand, sagte Leslie. Roy: Unterschätz nicht meine oral
proficiency. Halm sagte: Ein Grand Hand meinerseits.- Martin Walser, Brandung. Frankfurt am Main 1987
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