innlichkeit   Er war eines Abends in die Küche gekommen, um vor dem Dinner schon eine Kleinigkeit zu essen, und zufällig war sein Blick auf die Schüssel mit Schnecken gefallen, die auf dem Ablaufbrett am Spülstein stand und in der sich zwei Schnecken höchst sonderbar benahmen. Sie standen sozusagen auf dem Schwanzende und schwankten voreinander hin und her wie zwei Schlangen, die von einem Flötenspieler hypnotisiert werden. Gleich darauf berührten sich die beiden Gesichter zu einem Kuß von deutlicher Sinnlichkeit. Mr. Knoppert trat näher heran und musterte sie von allen Seiten. Da geschah noch etwas: bei beiden Schnecken erschien auf der rechten Kopfseite ein kleiner Auswuchs, etwa wie ein Ohr. Was er da vor sich sah, war irgendeine Art von Sexualerlebnis, das sagte ihm sein Instinkt

Die Köchin trat in die Küche und machte eine Bemerkung, doch Mr. Knoppert brachte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen. Er konnte die Augen nicht abwenden von den verzauberten Lebewesen in der Schüssel.

Als die ohrförmigen kleinen Gebilde genau Rand an Rand lagen, schnellte aus dem einen Ohr ein weißliches Stäbchen hervor und bog sich wie ein Fühler dem Ohr der anderen Schnecke entgegen. Mr. Knoppert mußte seine erste Mutmaßung korrigieren, als auch aus dem Ohr der zweiten Schnecke ein Fühler hervortrat. Sonderbar, dachte er. Jeder der beiden Fühler wurde zurückgezogen, trat von neuem hervor und blieb dann, als hätte er ein unsichtbares Ziel erreicht, in der Partnerschnecke haften. Wie gebannt starrte Mr. Knoppert in die Schüssel. Auch die Köchin war jetzt herangetreten und besah sich die Schnecken.

»Haben Sie so was schon mal gesehen?« fragte Mr. Knoppert.

»Nein. Die kämpfen wohl miteinander«, meinte die Köchin und wandte sich gleichgültig ab. - Patricia Highsmith, Der Schneckenforscher. In: P.H., Gesammelte Erzählungen. Zürich 1973

Sinnlichkeit (2)   

- Franz von Stuck

Sinnlichkeit (3, erwachende)  Wie andere einen plötzlichen Genuß an Aprikosen empfinden, so empfand Cecilia Pappalardo einen plötzlichen Genuß an den Freuden der Sinne. In der Umarmung des allen literarischen Perversitäten und poetischen Raffiniertheiten unkundigen Gatten empfand sie ein Lustgefühl, wennschon ihre Lust mit einem Gefühl des Ekels, des Zorns, des Widerwillens vermischt war. Es verdroß sie, daß das Vergnügen ihr von diesem Manne geboten wurde, für den sie keine Liebe empfand. Einzig der Mechanismus der Umarmung verursachte ihre Verzückung. Wenn eine Frau dir erzählt, daß ihr Mann ihr keinen Genuß zu verschaffen versteht, so verleumdet sie ihn in der Regel; vielleicht in der edlen Absicht, auf indirektem Wege deinen Liebesfähigkeiten zu schmeicheln; aber sie verleumdet ihn.

Von dem Tage an, an dem Cecilias latente Sinnlichkeit geweckt war, richtete sie an ihren Mann nicht mehr die gewohnheitsmäßige Frage: «Wie weit bist du?», sondern sie gefiel sich vielmehr in dieser neuen Freude, die ihr aus dem Fleische kam. Es kam ihr so vor, als ob eine zweite Pubertät in ihr erblühte, siedend heiß, weil verspätet, ein Erwachen ihrer schlafenden Sinne, als die Sonne schon im Zenith ihres Tages stand.  - Pitigrilli, Der falsche Weg. Reinbek bei Hamburg 1988

 

Genuß Lebensfreude

 

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Sensualität