inn,
innerer
Der innere Sinn ist nicht die reine Apperzeption; ein Bewußtsein
dessen, was der Mensch tut, denn dieses gehört zum Denkungsvermögen, sondern
was er leidet, wiefern er durch sein eignes Gedankenspiel affiziert wird.
Ihm liegt die innere Anschauung, folglich das Verhältnis der Vorstellungen in
der Zeit (so wie sie darin zugleich oder nach einander sind) zum Grunde. Die
Wahrnehmungen desselben und die durch ihre Verknüpfung zusammengesetzte (wahre
oder scheinbare) innere Erfahrung ist nicht bloß anthropologisch, wo man nämlich
davon absieht, ob der Mensch eine Seele (als besondere unkörperliche Substanz)
habe oder nicht, sondern psychologisch, wo man eine solche in sich wahrzunehmen
glaubt, und das Gemüt, welches als bloßes Vermögen
zu empfinden und zu denken vorgestellt ist, als besondere im Menschen wohnende
Substanz angesehen wird. - Da gibt es alsdann nur Einen inneren Sinn; weil es
nicht verschiedene Organe sind, durch welche der Mensch sich innerlich empfindet,
und man könnte sagen, die Seele ist das Organ des inneren Sinnes, von dem nun
gesagt wird, daß er auch Täuschungen unterworfen
ist, die darin bestehen, daß der Mensch die Erscheinungen desselben entweder
für äußere Erscheinungen, d. i. Einbildungen für Empfindungen nimmt,
oder aber gar für Eingebungen hält, von denen ein anderes Wesen, welches doch
kein Gegenstand äußerer Sinne ist, die Ursache sei: wo die Illusion alsdann
Schwärmerei, oder auch Geisterseherei und beides Betrug des inneren
Sinnes ist. In beiden Fällen ist es Gemütskrankheit: der Hang, das Spiel
der Vorstellungen des inneren Sinnes für Erfahrungserkenntnis anzunehmen, da
es doch nur eine Dichtung ist. - Immanuel Kant, Anthropologie
in pragmatischer Hinsicht
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