Singularität   Es fällt uns nicht sonderlich schwer, die verschiedenen Transformationen zu denken, die das Universum durchgemacht hat, auch wenn eine Welt ohne Sterne und Galaxien, in der Temperaturen von hundert Milliarden Grad herrschen, schwer vorstellbar erscheinen mag. Aber die Entstehung dieses Universums aus dem Nichts ist kaum nachzuvollziehen. Selbst wenn die Modelle der Kosmologie für die fernste Vergangenheit des Universums einen Zustand vorsehen, der sich durch solch eine Dichte und so außergewöhnliche Eigenschaften auszeichnete, dass man ihn mit dem aus der Mathematik übernommenen Begriff der SINGULARITÄT bezeichnet, spricht doch nichts dafür, diesen Zeitpunkt, jenseits dessen unsere vertraute Zeitvorstellung keine Geltung mehr besitzt, mit einer Entstehung aus dem Nichts gleichzusetzen. Auch die Singularität ist kein Schöpfungsvorgang. Den Gebrauch dieses Begriffs müssen wir den Metaphysikern und Theologen überlassen und die Wissenschaft bescheiden, aber auch erfreut auf den Bereich der Transformationen beschränken, über die im Übrigen noch nicht das letzte Wort gesagt ist.  - (thes)

Singularität (2)

Singularität (3)  Von einer Singularität spricht man in der Astrophysik wie allgemein in der Physik, wenn in einer mathematischen Formel, die die Realität darstellen soll, Größen (wie Dichte, Ladung, Druck, Temperatur usw.) auftreten, die an einem Punkt im Raum oder in der Zeit unendliche Werte annehmen. Diesen mathematischen Ergebnissen kann keine physikalische Realität entsprechen, denn in der Physik kennt man nur messbare, das heißt endliche Größen. Die Singularität verweist daher auf eine mangelnde Übereinstimmung zwischen Theorie und Wirklichkeit und kann gerade deshalb äußerst fruchtbar sein, denn sie bezeichnet eine Stelle, an der die Theorie mangelhaft und die mathematische Darstellung allzu summarisch gegenüber der Realität ist.  - (thes)

Singularität (4)   Einstein sehnte sich nach der vollkommenen Harmonie der Welt, nach ihrer lückenlosen Erkennbarkeit, und deshalb lehnte er sein Leben lang das quantentheoretische Unbestimmtheitsprinzip ab. Er meinte, dieses Prinzip werde die wahre Erkenntnis nur vorübergehend verschleiern, und er drückte das in der bekannten Sentenz aus, daß Gott mit der Welt nicht würfele: »Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist Er nicht«. Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tode gelangtet ihr jedoch an die Grenzen der Einsteinschen Physik, als Penrose und Hawking entdeckten, daß es unmöglich ist, eine Physik des Kosmos zu schaffen ohne eine Singularität, das heißt ohne einen Ort, an dem diese Physik zusammenbricht. Man hat versucht, die Singularitäten zu Randphänomenen zu erklären, doch vergebens, denn ihr erkanntet, daß sowohl das, was den physikalischen Kosmos aus sich hervorbringt, als auch das, was ihn am Ende möglicherweise in sich einsaugt, und schließlich auch das, was als unendlich wachsende Krümmung des Raumes diesen samt der Materie bei jedem Sternkollaps zermalmt, eine Singularität ist.

Nicht alle unter euch begriffen, daß einen diese Perspektive bestürzen muß, bedeutet sie doch, daß die Welt nicht identisch ist mit den Erscheinungen, aus denen sie hervorgeht und von denen sie aufrecht erhalten wird. Ich kann auf dieses faszinierende Thema nicht weiter eingehen, denn hier soll von Einsteins Werk und nicht vom Wirken des Kosmos die Rede sein, und so beschränke ich mich auf die lockere Bemerkung, daß die Einsteinsche Physik sich als unvollständig erwies, da sie ihren eigenen Zusammenbruch zwar vorhersagen, aber nicht ergründen konnte. Die Welt machte sich in perfider Weise über Einsteins unerschütterliches Vertrauen lustig, denn damit eine makellose Physik in ihr gelten kann, muß sie gerade mit Makeln behaftet sein, die nicht dieser Physik gehorchen. Nicht nur, daß Gott mit der Welt würfelt - er läßt sich auch nicht in den Becher schauen. - Stanislaw Lem, Also sprach GOLEM. Frankfurt am Main 1986 (zuerst 1973)

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