Simulationstechnik    »Einer hat simuliert, daß ihn der Schlag getroffen hat. Drei Chinine, ein Klistier und ein eintägiges Fasten ham genügt. Er hat gestanden, und bevors zum Magenpumpen gekommen is, war vom Schlag keine Spur mehr. Am längsten hat sich der gehalten, was von einem tollen Hund gebissen worn ist. Er hat gebissen, geheult, wirklich, das hat er ausgezeichnet getroffen, aber den Schaum beim Maul hat er nicht und nicht zuwege bringen können. Wir ham ihm geholfen, wie wir ham können. Wir ham ihn paarmal eine ganze Stunde vor der Visit gekitzelt, bis er Krämpfe gekriegt hat und ganz blau geworn is, aber der Schaum beim Maul is nicht und nicht gekommen. Es war schrecklich. Wie er sich einmal früh bei der Visit ergeben hat, hat er uns leid getan. Er hat sich beim Bett aufgestellt wie eine Kerze, hat salutiert und gesagt: >Melde gehorsamst, Herr Oberarzt, daß der Hund, was mich gebissen hat, wahrscheinlich nicht toll war.< Der Oberarzt hat ihn so eigentümlich angeschaut, daß der Gebissene am ganzen Leib zu zittern angefangen hat und fortgesetzt hat: >Melde gehorsamst, Herr Oberarzt, daß mich überhaupt kein Hund gebissen hat, ich hab mich selbst in die Hand gebissene Nach diesem Geständnis hat man gegen ihn wegen Selbstvcrstümmlung eine Untersuchung eingeleitet, daß er sich die Hand abbeißen wollt, um nicht ins Feld zu müssen.«

»Alle solche Krankheiten, wo man Schaum vorm Maul braucht«, sagte der feiste Simulant, »lassen sich schlecht simulieren. Wie zum Beispiel die hinfallende Krankheit. Da war hier auch einer mit hinfallender Krankheit, der hat uns immer gesagt, daß es ihm auf einen Krampf nicht ankommt, so hat er euch manchmal zehn in einem Tag zuwege gebracht. Er hat sich in Krämpfen gewunden, hat die Fäuste geballt, hat die Augen herausgewälzt, daß es ausgesehen hat, wie wenn er sie auf Stielen hau, hat um sich geschlagen, die Zunge herausgesteckt, kurz ich sag euch, eine herrliche erstklassige hinfallende Krankheit, so eine ganz echte. Auf einmal hat er Asten bekommen, zwei am Hals, zwei am Rücken, und aus wars mit den Krampfen und mit dem Auf-den Boden-Schlägen, weil er den Kopf nicht hat rühren können, nicht sitzen und nicht liegen. Er hat Fieber gekriegt, und im Fieber hat er bei der Visit alles verraten. Und er hat uns mit diesen Asten ordentlich zugesetzt, weil er mit ihnen noch drei Tage hat zwischen uns liegen müssen und zweite Diät gekriegt hat, früh Kaffee mit einer Semmel, abends Brei oder Suppe, und wir ham zuschaun müssen mit hungrigem ausgepumptem Magen und ganzer Diät, wie der Kerl frißt, schmatzt und vor Sattheit faucht und rülpst. Dreien hat er damit ein Bein gestellt, sie ham auch gestanden. Die sind mit Herzfehler gelegen.«

»Am besten«, sagte einer von den Simulanten, »läßt sich Wahnsinn simulieren. Von unserrn Lehrkörper sind nebenan im Zimmer zwei, einer schreit fortwährend bei Tag und Nacht: >Der Scheiterhaufen Giordano Brunos raucht noch, erneuert den Prozeß Galileis!<, und der zweite bellt, erst dreimal langsam: haf-- haf- haf, dann fünfmal schnell nacheinander: hafhafhafhafhaf und wieder langsam und so gehts immerfort. Er hats schon über drei Wochen ausgehalten. Ich hab auch ursprünglich einen Narren machen wolln, hab religiösen Wahnsinn heucheln, von der Unfehlbarkeit des Papstes predigen wolln, aber zum Schluß hab ich mir von einem Raseur auf der Kleinseite für fünfzehn Kronen einen Magenkrebs besorgt.«

»Ich kenn einen Rauchfangkehrer in Bfevnov«, bemerkte ein anderer Patient, »der macht euch für zehn Kronen so ein Fieber her, daß ihr aus dem Fenster springt.«

»Das is nix«, sagte ein anderer, »in Wrschowitz gibts eine Hebamme, die euch für zwanzig Kronen so gut das Bein ausrenkt, daß ihr euer Leben lang ein Krüppel bleibt!«

»Mir hat man das Bein für fünf Kronen ausgerenkt«, ließ sich eine Stimme von einem Bett in der Nähe des Fensters her vernehmen, »für fünf Kronen und drei Biere.«

»Mich kostet meine Krankheit schon über zweihundert«, erklärte sein Nachbar, eine vertrocknete Stange, »nennt mir, welches Gift ihr wollt, ihr werdet keins finden, das ich noch nicht genommen hab. Ich bin ein lebendiges Giftmagazin. Ich hab Sublimat getrunken, ich hab Quecksilberdämpfe eingeatmet, ich hab Arsen gekaut, ich hab Opium geraucht, ich hab eine Opiumtinktur getrunken, ich hab mir Morphium aufs Brot gestreut, ich hab Strychnin geschluckt, ich hab eine Phosphormischung von Schwefel und Schwefelsäure ausgetrunken. Ich hab mir Leber, Lunge, Nieren, Galle, Hirn, Herz, Därme ruiniert. Niemand weiß, was für eine Krankheit ich hab.«   - Das Hašek-Lesebuch. Zürich 2008

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