ich-Graulen  Wann einer eine gewisse zeit im einsiedlertume verharrt, dann wächst ihm ein vollbart, dessen länge und festigkeit manchmal die grenze zum abscheulichen hin überschreiten. Simeon hatte ganze VII jahre in einem sehr tiefen walde sein frommes dasein verbracht, und nun trug es sich zu, daß er, mehr durch Zufall denn aus eitler absicht, nach ablauf dieses septenniums in eine klare quelle schaute, sich absonderlich graulte und über die maßen erschrak. »Ich habe«, sprach er, »das rein äußere eines jener kanaanitischen höhlenbären angenommen, so vormals die jungen spötter Elisaei gerechterweise mit haut und haar aufspeiseten. Ein strafe, die mir, dem sohn einer aufgeklärten generation, allerdings ein wenig hart erscheinen muß. Je nun, wann es also wahrhaftig einträte, daß mich die unerforschliche vorsehung des himmeis zu solch einem werkzeug erwählt haben sollte und demnach daranginge, mich in gestalt eines blut-schmäckenden ursi erecti über die fröhliche Jugend senden zu wollen? Ich setze den fall, irgend ein unbesonnener knabe riefe in seiner unschuld einem ehrwürdigen kahlkopfe ›Kahlkopf, kahlkopf!‹ zu. Nicht auszudenken, diese beamtung! In meiner einstigen truhe soll nie und nimmer — da sei die Dreieinigkeit vor — ein kannibal liegen .. .«

Mit solcherlei gespräch betrug sich der fromme eremit und er beschloß zu guter letzt, antwort bei den vöglein in den bäumen zu holen. Die konnten ihm aber auch keinen rechten rat geben, und so befrug er der reihe nach die vorüberziehenden rehlein, die hirsche, die dachse, den eber — ja, er hielt sogar die wölfe der schluchten an und suchte um unterricht bei den natternfamilien, aber was er auch anstellte und versuchte, es konnten ihm weder die wilden noch die zahmen tiere mit einer passenden antwort gerecht werden. Endlich, gegen abend, traf er den wiesel. »Wie ist es«, hub der waldkläusner an, »wann ich dir, von freund zu freund, eine heikle frage stelle, bei der es scharf nachdenken heißt?«

»Ein flinkes tier werd ich genannt,
mit einer antwort gleich zur hand!«

»So sage mir dann«, fuhr der abendliche Simeon fort, »was habe ich zu tun, um diesen wunderlichen fellbart, so mein rein äußerliches einem einzelgängerischen höhlenbärenähnlicher macht, als dem eines ächten einsiedels, der, seine betrachtungen aus frömmigkeit und zweifeln mischend, nichts lieberes wünscht, denn mit aller welt in frieden und eintracht zu leben?«

»Abschneiden«, sagte das flinke tierlein. »Ich kenne einen türcken in der stadt, der ein geschickter barbierer sein soll. Ich pflege im garten desselben türcken sonn- und feiertags, oder auch sonst irgendwie unter der woche, regelmäßig ein schock hühnereier auszutrinken. Was sonst auch möchte ich bei ihm tun, so ich keine rasur nötig habe. Du wirst es ja mit eigenen äugen sehen, daß mein bart kaum der rede wert ist!« - (hus)

Angst
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