Sich
zeigen (2) Auf den Fährdampfer zum Bagno wartet
ein fetter, bleicher Mann. Er ist jung, hohläugig, hat ein fanatisches Gesicht.
Lange, dunkle Haare fallen ihm über die Schläfen, seine Schultern hängen schlaff,
auf der weichen, dicken Oberlippe trägt er einen wirren Schnurrbart.
Er blickt nicht rechts und links. Er ist auch bis zu Ende gegangen. Wie hieß
es in diesen Ländern der Weißen, der Männer? Man muß etwas werden, Großes leisten,
vielleicht Ruhm erringen. An nichts anderes dachte von
früh auf dieser hohläugige Mann. Aber rechts und links wollten sie etwas werden.
Wie Bäume im Wald sich nach Licht strecken und zu übergipfeln suchen, so drängte
man sich. Er kam nicht hoch. Es war nicht viel mit ihm. Da machte er sich mit
Gewalt Bahn. Seine Frau nörgelte an ihm. Er hatte sich in einen Wahn hineingelebt.
Was alle träumten, war bei ihm zu einem Zwang geworden. Da existiert er still
und abseits mit der Frau, legt eine Farm von Silberfüchsen an, und als eines
Tages die Frau ihn harmlos nach seiner Arbeit befragt, wird er gereizt, fängt
mit ihr an, metzelt sie nieder und gesteht später, er habe keine
Reue empfunden, er empfinde noch jetzt keine Reue. Wirklich, eine rasende
Freude erfüllt ihn, mit Weihwasser segnet er den Leichnam,
er fühlt den neidischen Blick der Umwelt auf sich gerichtet. Dies hat er getan;
er hat gezeigt, wer er ist. Sie stoßen ihn jetzt aus, die Fratze ihrer Leidenschaften.
Wie lange wird er drüben leben. Und was ist geschehen, wenn er tot ist. Es graust
sie, wenn sie von ihm lesen. Aber sie weiden sich daran. Sie ahnen etwas. Weg,
sagen sie. -
Alfred Döblin, Amazonas. Romantrilogie. München 1991 (entst. 1935-37)
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