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verzetteln Carel van Loorens war einer der merkwürdigsten Köpfe seiner
Zeit. In Holland geboren, aber aus Liebe zu den Philosophen Franzose geworden,
hatte er in Persien, in Arabien, in China und in Nord- und Südamerika gelebt
und sprach fließend ein gutes Dutzend Sprachen. Von selbstverständlich überlegener
Intelligenz, sich aber sehr verzettelnd und offenkundig unfähig, sich länger
als zwei Jahre ein und derselben Disziplin zu widmen, übte er im Laufe seines
Lebens die verschiedensten Tätigkeiten aus, wobei er mit dem gleichen Glück
und der gleichen Fröhlichkeit vom Beruf des Chirurgen zu dem des Geomcters überwechselte,
in Lahore Kanonen schmolz und in Schiras eine Veterinärsschule gründete, in
Bologna die Physiologie lehrte, in Halle Mathematik und in Barcelona Astronomie
(wo er die Hypothese zu äußern wagte, dass sich Mechain bei seinen Berechnungen
des Meters geirrt habe), für Wolfe Tone Gewehre eskortierte oder, als Orgelbauer,
die Möglichkeit ins Auge fasste, die Registerzüge durch Klapptasten zu ersetzen,
wie das ein Jahrhundert später geschehen sollte. Aus dieser systematischen Unbeständigkeit
folgte, dass Carel van Loorens sich im Verlaufe seines Lebens mehrere interessante
Fragen stellte, mehrmals andeutungsweise Lösungsversuche unternahm, denen es
weder an Eleganz noch bisweilen an Genialität fehlte, es jedoch fast jedesmal
versäumte, seine Ergebnisse auf eine annähernd verständliche Weise schriftlich
zu fixieren. Nach seinem Tod fand man in seinem Arbeitszimmer in den meisten
Fällen unleserliche beziehungsweise unverständliche Aufzeichnungen, die sich
unterschiedslos auf die Archäologie, die Ägyptologie, die Buchdruckerkunst (Projekt
eines universellen Alphabets), die Linguistik (Brief an Herrn von Humboldt über
das Idiom der Warsinis: Es war sicherlich nur ein Briefentwurf; auf jeden Fall
spielt Humboldt nirgends darauf an), die Medizin, die Politik (Vorschlag für
eine demokratische Regierung), bei dem nicht nur der dreifachen Gewaltenteifung
in Exekutive, Legislative und Jurisdiktion Rechnung getragen wird, sondern,
in einer verwirrenden Antizipation, auch einer vierten Gewalt, die er die publizitäre
nannte (von Publizist, Journalist), das heißt die Information, die numerische
Algebra (Anmerkung über die Goldbach'sche Vermutung, derzufolge jede Zahl n
die Summe von K Primzahlen ist), die Physiologie (Hypothesen über den Winterschlaf
der Murmeltiere, über den pneumatischen Körper der Vögel, den Atemstillstand
oder Apnoe der Nilpferde usw.). - (rec)
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