exualforscher Dr. med., Dr. jur., Dr. phil. Frank Dashwood war schon im Alte] von 38 Jahren Leiter der am höchsten subventionierten und umstrittensten Institution der Welt: Orgasm Research, ein MultiMillionen-D öl lar-Projekt, das sich zur Aufgabe gemacht hatte, die psychologischen Fragen zu klären, die in der Pionierforschung von Masters und Johnson vor zwei Jahrzehnten übergangen worden waren. Da dieser psychologische Komplex «nicht nur psychologisch, sondern auch recht vage» war, wie Dr. Dashwood manchmal witzig bemerkte, nahm das Forschen - und mittlerweile auch die Subventionen - kein Ende mehr.
Laut Analyse eines Managementforschers gehörte Frank zu den siebzehn männlichen Personen der Vereinigten Staaten, die mit ihrem Job völlig zufrieden waren.
Andere Kollegen beobachteten diese Tatsache manchmal mit einem gewissen Neid. «Welcher einigermaßen normale Mann», hatte einer von ihnen einmal gesagt, «wäre wohl nicht zufrieden, wenn er anderen Leuten beim Orgasmus zugucken könnte und dafür auch noch runde 60 000 Dollar im Jahr kassiert?» Aber das war einem echten Wissenschaftler gegenüber doch etwas unfair. Dr. Dashwood war wirklich von Orgasmen besessen, so wie Edison von der Elektrizität, und er interessierte sich für alle mögli-
chen Faktoren, für das kleinste Rucken, Kribbeln, Stöhnen, Grunzen, Keuchen, Schluchzen, Schaudern oder Heulen, das mit diesem dramatischen biologischen Krampf einherging. Mehr noch, er war fasziniert von Linie, Kurven, Durchschnittswerten, Graphiken und allen möglichen Aspekten der Mathematik, die sich sauber darstellen ließen. Für ihn bestand die Welt nicht aus «Dingen», aus groben Disneyland-Trickfilmen, die von unseren primitiven Nervensystemen projiziert wurden, sondern aus Energieverflechtungen. Ohne je von Zen-Buddhismus gehört zu haben, teilte er intuitiv die Vision des sechsten Patriarchen Hui Neng: «Von Anbeginn an ist kein Ding gewesen.» Dr. Dashwood lebte in einem Universum von Transaktionen, die sich als Gleichungen ausdrücken und auf Millimeterpapier darstellen ließen.
Über seinem Schreibtisch hing ein Spruch, den ihm eines Tages ironischerweise ein äußerst skeptischer Freund vorgeschlagen hatte. Aber Dr. Dashwood fand ihn überhaupt nicht zum Lachen und machte ihn zu seinem persönlichen Motto:
WISSENSCHAFT, REINE WISSENSCHAFT
UND VERFLUCHT SEI DER,
DER
ZUERST RUFT:
«HALT, ZUVIEL!»
Bei seinen hochbezahlten Vorträgen vor medizinischen Kongressen, psychiatrischen
Konferenzen, Y. M. C. A. s und P. T. A.s pflegte er immer zu sagen: «Es ist
einfach nicht wahr, daß man alle Orgasmen gesehen hat, wenn man einen gesehen
hat. Nun, Heraklit, ein großer griechischer
Philosoph, der über 109 Fragmente verfaßt hat, hat einmal gesagt, daß man nie
zweimal in den gleichen Fluß treten könne, weil sich nicht nur das Wasser, sondern
auch man selber inzwischen geändert habe. Tja, und genausowenig kann man den
gleichen Penis zweimal in die gleiche Vagina
stecken.» Dr. Dashwood hatte bis jetzt 23 017 Orgasmen
beobachtet, und seine Neugier war ungebrochen.
- Robert Anton Wilson, Schrödingers Katze - Das
Universum nebenen. Reinbek bei Hamburg 1987
Sexualforscher (2)
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