September  DES IROKESEN SEPTEMBER  Der sommer betritt die herbstlichen jagdgründe, sagen die irokesen und meinen damit den bunten september; sie holen um diese zeit die langen hosen und die wolldecken aus schrank und fach hervor.

Im autumnalen jenseits sind die totemtiere anders als im estivalen diesseits: ein waschbar für die katze des juni, ein laubbiber für den gelben schakal des juli, ein moospuma für das seewasseräffchen des august.

Ab ersten september ändert man in baumhaus und wigwam die taufnamen: die frauen nehmen die der männer an, die männer die der frauen; ab September frösteln die männer, die frauen erwärmen sich von tag zu tag mehr.

Im norden gebiert der berg einen weißen mann, der langsam gen süden trottet; mit der kohle der ahornhölzer heizen die waldläufer ihre erdhütten; wo man auch hintritt, biegen sich die zeltsparren der unteren weit.

Auf den großen inseln der northern lakes werden feuer angezündet, der häuptling hüllt sich in den wolfspelz, der medizinmann in das feil des waldbüffels.

Schrate und poltergeister bevölkern die regionen hinter den rinden der bäume, der specht flieht, der borkenkäfer wettert, die leeren nester stürzen rauschend . . .

Ein eichelhäher wird festlich mit feuerwasser gelabt, ein uralter ritus heischt dies.

Tausch ist in dieser zeit das einzige geld, dollars werden in fässer getan und für den nächsten sommer gehortet, ein schluck gin ersetzt den wert einer zehncentmünze.

Durch den tunnel einer gekrümmten handfläche betrachtet der irokese den gang der nun schon mageren sonnenscheibe - schneller, aber geschwächt zieht sie ihren gewohnten weg, sagt ein sprichwort:

Raonhake atsennonnit aiahiheie sakna8irokon tahattesanna8ikah etsanke tinnik tsinitsenri unne8enkanka!

Plötzlich im september erhebt sich unter den jägern die frage: ist der luchs dem mond geschwister, der dachs gevatter des polarsterns, sind puma und eistaucher feinde der sonne?

Augenblicke für ein starkes wort der schamanen: wer sich der mitternacht aussetzt, gerät an die lenden der waldfrau!

September ist der wanderzirkus im leben des Roten Mannes, prophetien und prognosen fliegen von mund zu ohr, schwarzkünstler und schwindler ertrügen sich mächtige ausrufe und howghs.

Ein alter adler, der bei ausbrechender sonne über die see kommt, bringt worte mit sich, die noch zu verstehen sein werden: tsannakke tsannakke tsannakke tlinkit. . .

Der ohrige irokese versteht ihn, der augige irokese sieht ihn, man tauscht in der zeit des tauschens sein erhaltenes wissen und begibt sich mit der trommel der erkenntnisse in die mitte der leute . . .   - H. C. Artmann, Unter der Bedeckung eines Hutes. Montagen und Sequenzen. Frankfurt am Main 1976 (st 337, zuerst 1974)

 

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