ensation   Die Formeln und Phrasen der Zeit- und Kulturkritik verdampfen unter der Reibungshitze der Rotation ihrer Verbrauchsapparaturen. Weniges erweist sich als dauerhaft oder auch nur im Rückblick erträglich.

Zu den großen Prägungen, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sind, gehört manches vom wortmächtigen Max Weber, der den Genuß der Rhetorik, die Anziehungskraft der ›Kathederpropheten‹, zwar für bedenklich hielt, aber doch selbst diese ›Rolle‹ nicht vermeiden konnte. Was damals noch mit einiger Harmlosigkeit ›Führer‹ hieß und wonach es ›dieJugend‹ angeblich verlangte, wurde ihr an der Gestalt Webers nur durch dessen frühen Tod 1920 genommen. Hätte er die von ihm deutlich genug gesehene Aufgabe des Ausnüchterers durchstehen können?

Wie auch immer — er hat eine der Folgen und Folgerungen der Anspannungen einer Situation der bewegten Jugend gesehen, die schon vor dem Krieg mit den Stichworten ›Leben‹ und ›Erlebnis‹ Inbegriffe reiner Unbestimmtheit gefunden oder angeboten bekommen hatte, von denen auch die Enttäuschung der Niederlage nicht hatte ablenken können. Als Max Weber 1919 im Münchener Auditorium Maximum — angesichts einer Hörerschaft, vor die gerade berufen zu sein er nicht mehr sollte wahrnehmen können — den vielmals zitierten Vortrag »Wissenschaft als Beruf« hielt, sprach er von den eng verbundenen Begriffen ›Leben‹ und ›Persönlichkeit‹ als ›Götzen‹. Was diese ausmachen solle, könne ihr nur jenes geben, sei die Verheißung.

Die Komplexion, diese Bedingtheit, sieht Weber als den Vorweisungszwang des Zeitgeistes: man habe das eine zu sein, indem und nachdem man das andere hätte. Das führt bis hin zur physiognomischen Verzerrung: Man quält sich ab zu erleben — mehr der Worte bedurfte es nicht, um den Druck zu beschreiben, der Erwartungen wie Forderungen produzierte.

Der rhetorische Großmeister fügt seiner deskriptiven Kurzformel die sprachliche Ernüchterung hinzu, auf die mancher nicht mehr gefaßt sein mochte: Früher nannte man dies ›Erlebnis‹ auf deutsch: ›Sensation‹. - (blum)

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