Man nannte sie Olympia. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt, bildschön, begabt und geistreich. Sie ließ mich bald die Neigung spüren, die sie zu mir gefaßt hatte, und ohne sie wiederzulieben, warf ich mich ihr an den Hals, gewissermaßen um mich selbst loszuwerden.
Unser Verhältnis fing ganz plötzlich an, und da es mir wenig Reiz bot, dachte ich, es werde ebenso unvermittelt wieder aufhören. Ich glaubte, Olympia werde meine Zerstreutheit, die mich auch in ihrer Nähe nicht verließ, bald satt bekommen und sich nach einem anderen Liebhaber umsehen, der ihr mehr Gerechtigkeit widerfahren lasse, und dies um so eher, da wir unser Verhältnis auf eine völlig uneigennützige Leidenschaft gegründet hatten. Aber unser Stern wollte es anders. Ohne Zweifel war es zur Züchtigung dieser hochmütigen, jähzornigen Frau, und damit ich in Nöte anderer Art geriet, unabwendbar, daß sie eine wahnsinnige Liebe zu mir faßte.
Schon konnte ich nicht mehr, wie ich wollte, am Abend in meinen Gasthof zurückkehren, und tagsüber wurde ich mit Briefchen und Botschaften überschüttet, ja, man schickte mir sogar Spione auf die Fersen.
Sie beklagte sich über meine Kälte. Ihre Eifersucht, die leider noch kein
handgreifliches Ziel gefunden hatte, ließ sie an allen Frauen aus, die meine
Blicke auf sich ziehen mochten, und sie hätte von mir sogar Unhöflichkeiten
gegen sie verlangt, wenn sie meinen Charakter hätte beeinflussen können. Mir
war bei dieser unablässigen Quälerei gar nicht wohl, aber ich konnte nicht mehr
loskommen. Ich gab mir redlich Mühe und versuchte mit dem besten Willen, Olympia
zu lieben, nur damit ich etwas zu lieben hatte und mich von der gefährlichen
Neigung ablenken konnte, die in mir lebte und die ich genau kannte.
- Jacques
Cazotte, Der verliebte Teufel. In: Meistererzählungen des französischen
Rokoko. München 1962
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