elbstwegwerfung  Unter den Frauen dieser Gattung waren ein paar, die sich mehr durch ihren geschmackvollen Prunk und ihre heitere Geselligkeit hervortaten als durch ihre körperlichen Reize. In ihren Häusern fand ich wirkliche Freiheit, die ich gern genoß, lärmende Fröhlichkeit, die mich betäuben konnte, wenn sie mir schon nicht zusagte. Endlich trieb man dort einen rechten Mißbrauch mit der Vernunft, der mich für kurze Zeit von den Fesseln meines Verstandes befreite. Ich erwies allen Frauen dieses Schlags, bei denen ich verkehrte, Aufmerksamkeiten, ohne auf eine von ihnen bestimmte Absichten zu haben. Aber die bekannteste der Kurtisanen hatte Absichten auf mich, und das sollte sich auch bald zeigen.

Man nannte sie Olympia. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt, bildschön, begabt und geistreich. Sie ließ mich bald die Neigung spüren, die sie zu mir gefaßt hatte, und ohne sie wiederzulieben, warf ich mich ihr an den Hals, gewissermaßen um mich selbst loszuwerden.

Unser Verhältnis fing ganz plötzlich an, und da es mir wenig Reiz bot, dachte ich, es werde ebenso unvermittelt wieder aufhören. Ich glaubte, Olympia werde meine Zerstreutheit, die mich auch in ihrer Nähe nicht verließ, bald satt bekommen und sich nach einem anderen Liebhaber umsehen, der ihr mehr Gerechtigkeit widerfahren lasse, und dies um so eher, da wir unser Verhältnis auf eine völlig uneigennützige Leidenschaft gegründet hatten. Aber unser Stern wollte es anders. Ohne Zweifel war es zur Züchtigung dieser hochmütigen, jähzornigen Frau, und damit ich in Nöte anderer Art geriet, unabwendbar, daß sie eine wahnsinnige Liebe zu mir faßte.

Schon konnte ich nicht mehr, wie ich wollte, am Abend in meinen Gasthof zurückkehren, und tagsüber wurde ich mit Briefchen und Botschaften überschüttet, ja, man schickte mir sogar Spione auf die Fersen.

Sie beklagte sich über meine Kälte. Ihre Eifersucht, die leider noch kein handgreifliches Ziel gefunden hatte, ließ sie an allen Frauen aus, die meine Blicke auf sich ziehen mochten, und sie hätte von mir sogar Unhöflichkeiten gegen sie verlangt, wenn sie meinen Charakter hätte beeinflussen können. Mir war bei dieser unablässigen Quälerei gar nicht wohl, aber ich konnte nicht mehr loskommen. Ich gab mir redlich Mühe und versuchte mit dem besten Willen, Olympia zu lieben, nur damit ich etwas zu lieben hatte und mich von der gefährlichen Neigung ablenken konnte, die in mir lebte und die ich genau kannte.  - Jacques Cazotte, Der verliebte Teufel. In: Meistererzählungen des französischen Rokoko. München 1962

 

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