elbstverachtung
Es war ihm nie gelungen, sich zu lieben, ja nicht einmal, wenn er
ganz ehrlich sein wollte, Respekt vor seiner Person zu haben. Wenn er sich von
außen betrachtete — und das war eine Übung, die er seit jeher gemieden hatte
— dann war das einzige Gefühl, das er für sich hegte, das der Verachtung. Er
verachtete alles an sich: den Zynismus, den Hochmut,
die Schläue, den Neid, die Ränkesucht, den Machthunger
und die Geldgier, und schließlich auch die Grausamkeit,
die ihn mehr als einmal dazu verleitet hatte, kraft seiner Autorität nicht nur
seine Feinde, sondern auch all diejenigen aus dem Weg zu räumen, die er als
physisch und geistig überlegen empfand. Mit wievielen Verbrechen hatte er sich
während seiner langen Amtszeit schon befleckt; lieber
nicht nachzählen, lieber vergessen, sagte sich der Kuropalates. Jetzt hatte
er ein unschuldiges Kätzchen getötet und mußte sich selbst eingestehen, daß
er bei der Vorstellung der Qualen des kleinen Tiers während der wenigen Augenblicke,
als es sich ins Leere stürzen fühlte, bevor es auf dem Boden aufschlug, eine
unmenschliche Lust empfunden hatte. Zur Vollendung dieser Lust fehlte ihm nur
noch der nahe Anblick des zerquetschten und blutigen Körpers unten auf dem Pflaster
im Hof. Aber das war nur ein abstrakter Wunsch, denn er hätte sich niemals neben
dem leblosen Körper des Kätzchens zeigen wollen, genauso wie ein Mörder sich
nicht neben dem Körper seines Opfers zeigt. Der Kuropalates stellte sich einen
Moment lang, dort unten im Hof läge der Eparch, am Boden zerschmettert, blutend,
die Augen noch immer weit aufgerissen im Entsetzen vor der Leere. Aber der Eparch
war aus seiner Falle entflohen.
- Luigi Malerba, Griechisches Feuer.
Berlin 1991
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